Nach der Wiedereröffnung und dem Ende des Lockdowns hofften viele Gastronomen, das Schlimmste sei vorbei. Doch dann kam das böse Erwachen: Viele Arbeitskräfte haben dem Gastgewerbe während der Pandemie den Rücken gekehrt. Die ohnehin als unsicher geltende Branche kämpft deshalb aktuell mit einer enormen Personalnot.
Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) herrscht in etwa 80 Prozent der Betriebe ein akuter Fachkräftemangel. Die Corona-Pandemie stellt dabei nur einen von vielen Gründen dar. Doch was können die Gastronomen gegen diesen Mitarbeiterschwund tun? Und wie steht es angesichts der vierten Corona-Welle um das Weihnachtsgeschäft des Gastgewerbes?
Woher kommt der Personalmangel in der Gastronomie?
Schon vor Corona zählte das Gaststättengewerbe nicht zu den attraktivsten Berufsgruppen. Die Arbeitsbedingungen sind in vielen Betrieben unkomfortabel, die Löhne gering und die Arbeitszeiten unattraktiv. Besonders die Arbeitszeitmodelle sind häufig unausgewogen. Die Hauptlast der Arbeitswoche trifft größtenteils in den Abendstunden und Wochenenden.
Die Gastronomie ist ein labiles Pflaster: Festangestellte Vollzeitkräfte sind immer seltener anzutreffen. Viele Betriebe setzen stattdessen vermehrt auf Aushilfen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen und günstige, ungelernte Arbeitskräfte – die Mitarbeiterfluktuation ist entsprechend hoch.
Außerdem ist das Lohnniveau im Gastgewerbe branchenspezifischen Schwankungen unterworfen. Das Gehalt orientiert sich meist an der Lohnuntergrenze – denn die üblichen Trinkgelder sind im Bruttolohn oft nicht erfasst. Diese „Aufstockungen“ durch Gäste sind zwar faktisch steuer- und abgabenfrei, fallen jedoch je nach Saison und Ausrichtung des Betriebs sehr unterschiedlich aus. All das macht die Gastronomie für die meisten Schulabgänger nicht unbedingt zum Traumberuf.
Ein Mangel an Personal herrschte also eigentlich schon vor Beginn der Corona-Pandemie. Und der plötzliche Mitarbeiterschwund ist damit nur die Spitze eines Eisberges, der tendenziell bereits am Horizont erkennbar war.
Wenn das Rettungsboot sinkt – warum die Krise im Gastgewerbe so überrascht
Dass sich der Personalmangel angesichts dieser Arbeitsbedingungen nicht früher bemerkbar machte, liegt vor allem daran, dass die Gastronomie bisher immer als besonders krisensicher galt. Das stetige Wachstum der Gastro- und Tourismusbranche sorgte für ein dauerhaft vielseitiges Stellenangebot, auch für ungelernte Kräfte. Dabei galt der Sektor lange Zeit als „Rettungsboot“ für Unentschlossene und Krisengebeutelte – denn einen Job in der Gastronomie gab es im Notfall immer.
Mit Corona und dem Lockdown brach diese sicher geglaubte Vorstellung in sich zusammen: Die meisten Gastbetriebe, Restaurants und Hotels mussten schließen und konnten sich mit dem Straßenverkauf oder der Umstellung auf das Liefergeschäft nur schwer über Wasser halten. Laut Dehoga Bundesverband verzeichnet das Gastgewerbe Anfang 2021 (einschließlich Hotellerie) gegenüber 2019 Umsatzausfälle von über 60 Prozent. Insgesamt hat die Branche damit Umsatzverluste von ca. 64,7 Milliarden Euro zu verkraften.
Personalmangel in der Gastronomie: Jeder Zehnte hat die Branche gewechselt
Mit Corona kam schließlich der spürbare Personalmangel – auch weil das Kurzarbeitergeld wegen der ohnehin geringen Löhne häufig nicht ausreichte, um die Mitarbeiter zu halten. Die zahlreichen Aushilfen, oft ungelernt und schlecht abgesichert, standen so häufig vor dem Nichts.
Obendrein erschien ein unverhoffter Konkurrent auf dem Arbeitsmarkt: Der Lebensmitteleinzelhandel. Dort sind die Fachkräfte und Aushilfen aus der Gastronomie besonders gefragt, denn Kundenorientierung und Flexibilität sind auch in diesem Bereich wichtige Qualitäten. Der Sturm auf die Supermärkte im Lockdown bescherte diesem Sektor außerdem ungeahnte Umsatzzuwächse.
So warben sogar Discounter mit Gehältern, die deutlich über dem Mindestlohn lagen. Und auch die überschaubare Arbeitswoche und attraktive Arbeitszeitmodelle überzeugten zahlreiche Fachkräfte vom Wechsel.
Wie reagieren die Betriebe auf die Personalnot?
Für die Gastronomen stellt der Personalmangel nach der Wiedereröffnung neben Gästeregistrierung und Hygienekonzepten eine zusätzliche Herausforderung dar. Statt die Umsatzverluste nach dem Lockdown wieder wett zu machen, sind viele Betriebe wegen des Mitarbeiterschwunds zu drastischen Maßnahmen gezwungen.
Laut einer Umfrage des Dehoga-Bundesverbands mussten mehr als 50 Prozent der Restaurants und Gaststätten zusätzliche Ruhetage einführen, die Öffnungszeiten verkürzen oder die Speisekarte reduzieren. Der sonst umsatzstarke Sommer war für das Gastgewerbe weniger Erholung als Belastungsprobe. Und auch das bevorstehende Weihnachtsgeschäft scheint gefährdet.
Besonders Köche und Führungskräfte, wie Serviceleiter oder Geschäftsführer, sind schwer zu finden. 43 Prozent der Gastbetriebe sehen sich deshalb gezwungen, immer mehr an- und ungelernte Mitarbeiter einzustellen. Fast 60 Prozent der befragten Gastronomen versuchen der Personalnot dagegen mit höheren Gehältern zu begegnen. Knapp 38 Prozent setzen auf ein optimiertes Arbeitszeitmodell.
Sorge um Weihnachtsgeschäft: Wie steht es um die Zukunft der Gastronomie?
Ob diese Maßnahmen weitere Bewerber und vor allem Fachkräfte zurück ins Gastgewerbe locken können, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Langfristig wird die Branche der Herausforderung Personalmangel wohl nur mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen begegnen können.
Die geplante Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde verunsichert in der momentanen Lage jedoch viele Gastronomen. Besonders kleinere Unternehmen konnten die Umsatzverluste aus dem Lockdown im letzten Sommer kaum ausgleichen. Mit den steigenden Inzidenzen der vierten Corona-Welle bangen außerdem auch zahlreiche Gastbetriebe um das bevorstehende Weihnachtsgeschäft.
Allerdings sprechen sich auch innerhalb der Branche immer mehr Unternehmer für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen aus. Auch die Gewerkschaft Nahrung und Genuss (NGG) sieht sich angesichts des 2017 ersatzlos ausgelaufenen Tarifvertrags wieder in der Pflicht, die Verhandlungen mit dem Dehoga-Bundesverband aufzunehmen. Damit bietet die aktuelle Personalnot auch Chancen, die Sparte neu zu strukturieren und so wieder attraktiv zu machen. Denn nur so lässt sich auch jenseits der Pandemie einem Fachkräftemangel entgegenwirken.