Sonderurlaub und Freistellungsanspruch des Mitarbeiters – diese Besonderheiten müssen Sie als Arbeitgeber kennen

Sonderurlaub und Freistellungsanspruch des Mitarbeiters – diese Besonderheiten müssen Sie als Arbeitgeber kennen

Erholte Mitarbeiter sind gute Mitarbeiter. Doch müssen sie als Unternehmer nicht jedem beantragten Sonderurlaub zustimmen. Ausfallzeiten wegen Urlaubs und Krankheit Ihrer Mitarbeiter können Sie nicht vermeiden. Häufig verlangen Arbeitnehmer aber auch noch Sonderurlaub bei sonstigen Ereignissen: Todesfälle, Geburtstage oder der Wunsch nach einer längeren Auszeit – die Liste ist schier unendlich. Aber nicht immer müssen Sie Sonderurlaub gewähren und dafür bezahlen.

In diesem Beitrag lesen Sie, wann Sie Ihre Arbeitnehmer freistellen müssen, welche Regeln Sie aufstellen können und wie Sie die Vergütungspflicht vermeiden.

    Was ist der Unterschied zwischen Freistellungs- und Vergütungspflicht?

    Eine gesetzliche Definition von Sonderurlaub gibt es nicht. Üblicherweise wird damit aber die Freistellung eines Arbeitnehmers von der Arbeitsverpflichtung gemeint. Daneben gibt es Fälle, in denen dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schlicht unmöglich ist. In diesem Beitrag werden alle diese Fälle zur Vereinfachung als „Sonderurlaub“ bezeichnet. Als Arbeitgeber müssen Sie beim Sonderurlaub in jedem konkreten Einzelfall zwei Aspekte unterscheiden:

    • Kann Ihr Arbeitnehmer Freistellung von der Arbeitsverpflichtung verlangen?
    • Falls ja: Müssen Sie als Arbeitgeber dann trotzdem die Vergütung zahlen?

    Beispiel – In 365 Tagen um die Welt: Ihr Arbeitnehmer bittet Sie um eine Auszeit. Er möchte für ein Jahr die Arbeit aussetzen, um die Welt zu bereisen. Der einschlägige Tarifvertrag sieht das ausdrücklich vor.

    Folge: Sie müssen Ihren Arbeitnehmer freistellen, denn diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Tarifvertrag. Während des Freistellungszeitraums bekommt Ihr Arbeitnehmer allerdings keine Vergütung. Weder der Tarifvertrag noch das Gesetz sehen eine solche Entlohnung vor.

    Wann hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Freistellung?

    Sonderurlaub müssen Sie als Arbeitgeber nur dann gewähren, wenn es dafür eine Rechtsgrundlage gibt. Ansprüche auf Sonderurlaub können sich ergeben aus

    • dem Gesetz,
    • dem Arbeitsvertrag oder einer sonstigen Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer,
    • einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung,
    • dem arbeitsrechtlichen Grundsatz auf Gleichbehandlung oder einer betrieblichen Übung.

    Eine grundlegende Regelung enthält § 275 Abs. 1  BGB. Danach entfällt die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, wenn die Leistung für ihn unmöglich ist; Beispiel: krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit.

    • 275 Abs. 3 BGB geht noch einen Schritt weiter: Danach darf der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung auch dann verweigern, wenn sie zwar noch möglich ist, ihm aber nicht zugemutet werden kann; Beispiel: der Tod eines nahen Angehörigen.
    Auf dieser ersten Prüfungsstufe geht es ausschließlich um die Klärung, ob Ihr Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht entbunden wird. Mit der Vergütungsfrage hat das noch nichts zu tun.

    Wann besteht bei einer Freistellung Vergütungspflicht?

    Falls Ihr Arbeitnehmer die erste Stufe gemeistert hat, also von der Arbeitspflicht entbunden ist, stellt sich auf der zweiten Stufe die Frage nach der Vergütungspflicht.

    „Ohne Leistung keine Gegenleistung“ – so lautet ein eiserner Rechtsgrundsatz des gesamten Schuldrechts (§ 326 Abs. 1 BGB). Auf das Arbeitsrecht übertragen bedeutet das: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Wenn Ihr Mitarbeiter nicht arbeitet, erhält er für diesen Zeitraum auch keine Vergütung.

    Dass das allerdings nicht immer gilt, wissen Sie als Arbeitgeber nur zu gut. Die Klassiker der Ausnahmefälle sind die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die Vergütungspflicht beim Erholungsurlaub. In diesen Fällen hat der Gesetzgeber die fortbestehende Vergütungspflicht ausdrücklich angeordnet (§ 3 Abs. 1 EFZG und § 1 BUrlG).

    Es gibt aber noch etliche weitere Fälle, in denen Ihre Arbeitnehmer Sonderurlaub verlangen können – und häufig müssen Sie als Arbeitgeber dann auch den Lohn fortzahlen.

    Wann müssen Sie Sonderurlaub vergüten?

    In den folgenden Fällen müssen Sie Ihrem Arbeitnehmer bezahlten Sonderurlaub gewähren:

    • Freistellung der Mitglieder des Betriebsrats zur Durchführung ihrer Aufgaben (§ 37 Abs. 2 und 3 sowie § 39 Abs. 3 BetrVG) und für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen (§ 37 Abs. 6 und
    • Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Mitarbeiter (SGB IX)
    • Freistellung von Auszubildenden für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an den Prüfungen müssen Sie Ihre Auszubildenden freistellen (§ 15 S. 1 BBiG). Für die Zeit der Freistellung müssen Sie auch die Vergütung zahlen (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG). Eine Nachholung der ausgefallenen betrieblichen Ausbildungszeiten können Sie nicht verlangen (BAG, 26.3.2001, 5 AZR 413/99).
    • Freistellung werdender Mütter aufgrund von Beschäftigungsverboten außerhalb der vor- und nachgeburtlichen Schutzfristen (§ 11 Abs. 1 MuSchG)
    • Freistellung nach den Bildungsurlaubsgesetzen der Länder

    Wann müssen Sie Sonderurlaub nicht vergüten?

    In den folgenden Fällen müssen Sie Ihren Mitarbeiter zwar ebenfalls von der Arbeit freistellen, aber grundsätzlich keine Vergütung zahlen:

    Elternzeit

    Als Arbeitgeber müssen Sie Ihre Arbeitnehmer für den Zeitraum der Elternzeit unbezahlt freistellen (§ 15 BEEG).

    Erkrankung eines Kindes

    Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer haben Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Betreuung ihres erkrankten Kindes der Arbeit fernbleiben (§ 45 Abs. 1 S. 1 SGBV). In diesem Fall müssen Sie als Arbeitgeber Ihren Mitarbeiter für die Dauer des Krankengeldanspruchs von der Arbeitsleistung freistellen (§ 45 Abs. 3 S. 1  SGBV).

    Möglicherweise hat Ihr Arbeitnehmer sogar Anspruch auf bezahlte Freistellung. Dazu müssen allerdings zusätzlich die Voraussetzungen des § 616 BGB vorliegen. Dazu – und wie Sie dies verhindern können – unten mehr.

    Mutterschutz

    Werdende Mütter dürfen in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung grundsätzlich nicht bzw. nur nach schriftlich geäußertem, ausdrücklichen Wunsch beschäftigt werden (§ 3 Abs. 2 MuSchG). Wöchnerinnen bis zum Ablauf von acht Wochen beziehungsweise zwölf Wochen bei Früh­- und Mehrlingsgeburten nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuSchG) dürfen unter keinen Umständen beschäftigt werden. Ihre Mitarbeiterin hat in diesem Zeitraum Anspruch auf staatliches Mutterschaftsgeld. Lediglich die Differenz zum Arbeitsentgelt tragen Sie als Arbeitgeber als sogenannten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (§ 14 MuSchG).

    Sonderurlaub nach dem Pflegezeitgesetz

    Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) gewährt Arbeitnehmern Freistellungsansprüche, um pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung pflegen zu können (§ 1 PflegeZG). Dabei müssen Sie zwischen der (dauerhaften) Pflegezeit einerseits und der Kurzzeitpflege andererseits unterscheiden.

    • Wann Sie Pflegezeit gewähren sollten: Als Arbeitgeber müssen Sie Mitarbeiter von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freistellen, sofern erforderlich diese einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (§ 3 Abs. 1 S. 1 PflegeZG). Das gilt allerdings nur dann, wenn Sie in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen. Für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen beträgt die Pflegezeit maximal sechs Monate. Während der Pflegezeit haben Ihre Mitarbeiter keinen Anspruch auf Vergütung.
    • Wann Sie Kurzzeitpflege gewähren sollten: Bis zu zehn Arbeitstage dürfen Ihre Arbeitnehmer der Arbeit fernbleiben, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren. Es muss sich dabei um eine akut aufgetretene Pflegesituation Außerdem muss die Freistellung erforderlich sein. Zwei Besonderheiten sollten Sie kennen: 1. Besonderheit: Ihr Mitarbeiter ist verpflichtet, Ihnen die Verhinderung an der Arbeitsleistung und die voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Außerdem können Sie als Arbeitgeber die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen und die Erforderlichkeit der Freistellung verlangen (§ 2 Abs. 2  PflegeZG). 2. Besonderheit: Zur Fortzahlung der Vergütung während der Kurzzeitpflege sind Sie als Arbeitgeber nicht verpflichtet (§ 2 Abs. 3  PflegeZG).
    Gleichwohl können Sie als Arbeitgeber zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet sein, wenn sich dies aus § 616 BGB ergibt. Dies können Sie allerdings wiederum im Arbeitsvertrag wirksam ausschließen.

    Müssen Sie bei einer persönlichen Arbeitsverhinderung zahlen?

    Die Vergütung müssen Sie als Arbeitgeber auch dann weiterzahlen, wenn Ihr Arbeitnehmer vorübergehend ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung gehindert ist (§ 616 S. 1 BGB). Auf diese Regelung stürzen sich Arbeitnehmer wie die Fliegen auf den Käse, wenn es um die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen im Verhinderungsfall geht. Für Sie als Arbeitgeber ist es wichtig, ungerechtfertigte Forderungen mit den richtigen Argumenten sofort abzuwehren. In den folgenden Kapiteln erfahren Sie, in welchen Fällen Sie die Vergütung fortzahlen müssen – und wann nicht.

    Nach § 616 S. 1 BGB behält Ihr Mitarbeiter den Anspruch auf Vergütung im Falle einer Arbeitsverhinderung. Dafür müssen aber drei Voraussetzungen erfüllt sein:

    1. Verhinderung durch einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund
    2. für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit
    3. ohne Verschulden Ihres Arbeitnehmers
    Fehlt auch nur eine dieser drei Voraussetzungen, geht Ihr Arbeitnehmer komplett leer aus.

    Wann ein in der Person Ihres Arbeitnehmers liegender Grund die Arbeitsleistung verhindert

    Welche konkreten Verhinderungsgründe damit gemeint sind, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Stets müssen es aber Gründe sein, die in der Person oder in den persönlichen Verhältnissen Ihres Mitarbeiters liegen. Die Verhinderungsgründe müssen sich speziell auf Ihren konkreten Arbeitnehmer beziehen. In Betracht kommen zum Beispiel:

    • kirchliche und standesamtliche Hochzeit
    • Eintragung einer Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG)
    • Geburt eines Kindes
    • Kommunion und Konfirmation der Kinder
    • Erkrankung eines Kindes
    • goldene Hochzeit der Eltern
    • Wohnungsbrand und Einbruch
    • unverschuldeter Verkehrsunfall
    • zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft
    • Stellensuche (§ 629 BGB)
    • Umzug
    • Todesfall von nahen Angehörigen
    • Pflege von pflegebedürftigen nahen Angehörigen
    • Arztbesuche
    • Wahrnehmung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten (zum Beispiel Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter oder als Zeuge vor Gericht)
    Als Arbeitgeber müssen Sie aber nicht sofort das Portmonee zücken, nur weil einer der oben genannten Verhinderungsgründe vorliegt. Zunächst sollten Sie prüfen, ob Sie Ihrem Arbeitnehmer eines der folgenden Gegenargumente entgegenhalten können.

    Gegenargument 1: Ein größerer Personenkreis ist betroffen

    Vergütungspflicht besteht nicht, wenn die Arbeitsverhinderung auf objektiven Umständen beruht, von denen ein größerer Personenkreis betroffen ist.

    Beispiel – Vulkanasche aus Island: Mehrere Ihrer Arbeitnehmer haben einen gemeinsamen Urlaub auf Island verbracht. Der Ausbruch eines Vulkans führt jedoch zur Verhängung eines Flugverbots, sodass Ihre Mitarbeiter nach dem Urlaub nicht zur Arbeit erscheinen können. Dennoch verlangen sie von Ihnen Gehaltsfortzahlung gemäß § 616 BGB.

    Folge: In diesem Fall müssen Sie als Arbeitgeber nicht zahlen. Auch wenn die unfreiwillige Urlaubsverlängerung unverschuldet ist, liegt kein Fall einer persönlichen Arbeitsverhinderung vor. Hier liegt vielmehr ein sogenanntes objektives Leistungshindernis vor. Und dafür müssen Sie als Arbeitgeber nicht einstehen.

    Weitere lediglich objektive Hindernisse:

    • Schnee und Glatteis
    • Naturkatastrophen
    • Zusammenbruch des öffentlichen Personennahverkehrs
    • Verkehrseinstellung wegen Hochwasser oder Smogalarms
    • Straßensperrung wegen Verkehrsunfalls
    • Fehlen einer Berufsausübungserlaubnis
    • Demonstrationen

    Gegenargument 2: Auffangregel für Ausnahmefälle

    • 616 BGB ist eine Auffangregelung für den Fall, dass keine spezielleren gesetzlichen Regelungen existieren. Sind solche Spezialregeln vorhanden, haben diese stets Vorrang vor § 616 BGB. Dazu gehört insbesondere das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).

    Beispiel – Keine Lohnfortzahlung bei Krankheit: Ihr Mitarbeiter ist seit zwei Wochen bei Ihnen beschäftigt. Dann wird er für zwei Wochen krank und verlangt von Ihnen Fortzahlung der Arbeitsvergütung.

    Folge: Sie sind nicht zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet. Weisen Sie Ihren Mitarbeiter darauf hin, dass ein Anspruch nach dem  EFZG (noch) nicht besteht, weil ein solcher Anspruch erst nach vierwöchiger Dauer des Arbeitsverhältnisses entstehen kann (§ 3 Abs. 3  EFZG). Es besteht aber auch kein Anspruch gemäß § 616  BGB. Denn diese Auffangvorschrift wird durch das  EFZG verdrängt. Das gilt sogar dann, wenn im konkreten Fall ein Anspruch nach dem  EFZG nicht besteht.

    Gegenargument 3

    Fällt ein persönliches Arbeitshindernis in den Erholungsurlaub Ihres Mitarbeiters, hat er keinen Anspruch auf dessen Verlängerung (BAG, 11.1.1966, 5  AZR 383/65).

    Wenn die Verhinderung als nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit eingeschätzt wird

    Der Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gemäß § 616 BGB besteht nur unter der Voraussetzung, dass die Arbeitsverhinderung lediglich für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ besteht. Leider enthält das Gesetz hierfür keine zeitlichen Vorgaben. Es gibt daher viele Ansichten zum Umfang der Zeitdauer. Manche Arbeitsrechtler koppeln den Zeitraum der Vergütungszahlung an die Beschäftigungsdauer.

    Dagegen spricht, dass die Beschäftigungsdauer mit Art und Anlass der Arbeitsverhinderung eigentlich nichts zu tun hat. Das sinnvollste Kriterium ist die für den jeweiligen Verhinderungsgrund objektiv notwendige Zeit. In der Regel bedeutet dies, dass es lediglich um einen Zeitraum von wenigen Tagen geht.

    Als Arbeitgeber sollten Sie einem Streit von vornherein aus dem Weg gehen. Im Arbeitsvertrag oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung können Sie nämlich genau festlegen, für welchen konkreten Verhinderungsgrund jeweils wie viele Tage vergütet werden. Solche Regelungen sind zulässig und sinnvoll.

    Wann fällt Ihr Arbeitnehmer unverschuldet aus?

    Ein Vergütungsanspruch nach § 616 BGB entfällt, wenn Ihr Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung selbst verschuldet hat. Es ist egal, ob er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Typisches Beispiel hierfür ist das Versäumen öffentlicher Verkehrsmittel.

    Der Vergütungsanspruch entfällt aber auch dann, wenn Ihr Arbeitnehmer die betreffenden Tätigkeiten außerhalb seiner Arbeitszeit wahrnehmen könnte. Dieser Aspekt ist besonders wichtig bei Arztbesuchen. Grundsätzlich muss Ihr Mitarbeiter Arztbesuche nämlich während seiner Freizeit wahrnehmen. Das gilt nur dann nicht, wenn

    • ein akuter Behandlungsbedarf besteht oder
    • der Arzt keinen Behandlungstermin außerhalb der Arbeitszeit anbietet

    Um Ihrem Mitarbeiter einen Missbrauch zu erschweren, können Sie das folgende Formular (Bescheinigung des Arztes) verwenden.

    Muster: Bescheinigung des behandelnden Arztes zur Vorlage beim Arbeitgeber

    Name des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin: …

    Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin war heute in der Zeit von … bis … bei mir zur Behandlung.

    Sofern die Behandlungszeit innerhalb der Arbeitszeit lag, musste die Behandlung ausfolgendem wichtigen Grund zu dieser Tageszeit ausgeführt werden:

    … ambulante Behandlung aufgrund eines während der Arbeitszeit erlittenen Arbeitsunfalls

    … Arztbesuch anlässlich einer während der Arbeitszeit aufgetretenen akuten Erkrankung, wobei hiermit die Notwendigkeit des sofortigen Arztbesuchs bescheinigt wird

    … amtsärztlich angeordnete Untersuchung oder Vorsorgeuntersuchung

    … Spezialuntersuchung, deren notwendige Durchführung während der Arbeitszeit hiermit durch den Arzt bescheinigt wird

    (Ort, Datum)

    (Praxisstempel/Unterschrift des Arztes)

    Sofern vorhanden, müssen Sie für die Verwendung dieses Formulars allerdings das Mitbestimmungsrecht Ihres Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG beachten.

    Unterrichtung und Nachweise –  das können Sie von Ihrem Arbeitnehmer verlangen

    Als Arbeitgeber können Sie verlangen, dass Ihnen Ihr Mitarbeiter den Anlass der Arbeitsverhinderung so rechtzeitig mitteilt, dass Sie sich darauf einstellen können. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung führt zwar nicht zum Verlust des Anspruchs auf bezahlten Sonderurlaub. Sie können aber Ersatz aller Schäden verlangen, die durch die unterbliebene Unterrichtung entstanden sind. Dazu gehören zum Beispiel zusätzliche Kosten für die Inanspruchnahme von Fremdarbeit.

    Gerade bei der Gewährung von Sonderurlaub sollten Sie zudem verlangen, dass Ihr Mitarbeiter die Arbeitsverhinderung nachweist. Solange dies nicht geschieht, können Sie den Vergütungsanteil einbehalten (Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB).

    Wie können Sie Vergütungspflichten vermeiden?

    Bezahlter Sonderurlaub nach § 616 BGB kann für Sie als Arbeitgeber teuer werden, gerade bei einer größeren Zahl von Beschäftigten. Das muss aber nicht sein, denn § 616 BGB ist abdingbar. Das bedeutet: Sie können mit Ihren Arbeitnehmern individuell vereinbaren, dass § 616  BGB nicht gelten soll (BAG, 7.2.2007, 5 A ZR 270/06).

    Muster: Arbeitsvertragsklausel

    Im Falle einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung steht dem Arbeitnehmer für deren Dauer außer in den durch das Gesetz zwingend geregelten Fällen kein Anspruch auf Zahlung der Vergütung zu. Das gilt auch für Zeiten der Inanspruchnahme von Pflegezeit oder für ein Fernbleiben des Arbeitnehmers im Falle einer Pflegesituation nach dem Pflegezeitgesetz.

    Erst recht möglich sind Regelungen, die den Anwendungsbereich des § 616 BGB lediglich einschränken. Sie könnten daher auch vereinbaren, dass eine Vergütungsfortzahlung nur in ganz konkret vereinbarten Verhinderungsfällen besteht und darüber hinaus nicht.

    Oder Sie vereinbaren umgekehrt, dass bestimmte Verhinderungsgründe von der Vergütungsfortzahlung ausgeschlossen sind. Dann könnten Sie beispielhaft etwa so formulieren:

    Muster: Arbeitsvertragsklausel

    1. Die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Falle eigener Erkrankung richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften.
    2. Im Falle des § 45 SGB V erfolgt unbezahlte Freistellung.
    Mit dieser Klausel vereinbaren Sie, dass im Falle der Erkrankung eines Kindes Ihres Mitarbeiters lediglich eine unbezahlte Freistellung erfolgt. In allen übrigen anerkannten Fällen der persönlichen Verhinderung Ihres Arbeitnehmers bleibt es dagegen bei der Vergütungspflicht gemäß § 616 BGB.

    Checkliste: So begrenzen Sie Ihre Vergütungspflicht bei Sonderurlaub

    • Prüfen Sie, ob Ihre Mitarbeiter häufig bezahlten Sonderurlaub in Anspruch nehmen.
      Falls dies zutrifft, sollten Sie Maßnahmen ergreifen, um diese Kostenlast zu reduzieren.
    • Prüfen Sie, ob Ihre Arbeitsverträge Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Sonderurlaub enthalten.
      Wenn nicht, sollten Sie in Erwägung ziehen, in Ihren Arbeitsverträgen die Vergütung für Sonderurlaub bei persönlicher Arbeitsverhinderung (§ 616 BGB) auszuschließen oder einzuschränken.
    • Hat Ihr Arbeitnehmer Sie vor Inanspruchnahme des Sonderurlaubs so rechtzeitig unterrichtet, dass Sie sich darauf einstellen konnten?
      Wenn nicht, sollten Sie künftig darauf bestehen. Im Wiederholungsfall können Sie gegebenenfalls eine Abmahnung aussprechen.
    • Hat Ihr Arbeitnehmer die Erforderlichkeit des Sonderurlaubs ordnungsgemäß nachgewiesen?
      Wenn nicht, sollten Sie bis zur Vorlage des Nachweises den entsprechenden Vergütungsanteil einbehalten (Zurückbehaltungsrecht).