Ohne Gewerkschaften wären in der Vergangenheit viele Arbeitnehmerrechte kaum durchgesetzt worden. Das gilt auch heute noch, obwohl die Mitgliedszahlen sinken: Gerade junge Menschen verzichten auf eine arbeitnehmerrechtliche Interessenvertretung, ohne die Vor- und Nachteile von Gewerkschaften zu kennen.
Gewerkschaftszugehörigkeit: Mehr Vor- als Nachteile
Die Aufgaben von Gewerkschaften sind vielfältig. Sie kümmern sich zum Beispiel um
- Eine gerechte Verteilung von Unternehmensgewinnen
- Die Qualität von Ausbildung
- Gleichberechtigung
- Anspruch auf Lohn und bezahlten Urlaub
- Geregelte Arbeitszeiten
- Umweltschutz
Trotz dieser Vorzüge beklagen Gewerkschaften seit Jahren einen Mitgliederschwund in ihren Reihen. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund, kurz DGB, ist die Zahl der Mitglieder mittlerweile unter sechs Millionen gerutscht. Im Jahr 1988 zählte die Organisation noch fast acht Millionen Mitglieder (Quelle: „Gewerkschaft ohne Mitglieder“, Jörg Becker). Gleichzeitig haben sich in diesem Zeitraum neue Gewerkschaften gegründet: Die Pilotenvereinigung Cockpit zum Beispiel oder der Marburger Bund (Interessenvertretung der Klinikärzte).
Im Deutschen Gewerkschaftsbund vertretene Einzelgewerkschaften:
- IG Metall
- Ver.di
- IG Bauen, Agrar, Umwelt
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
- Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten
- Gewerkschaft der Polizei (GdP)
- EVG
- IG Bergbau, Chemie, Energie
Gründe für weniger Mitglieder
Als Gründe für den Mitgliederschwund gelten zum Beispiel die Verrentung der Mitglieder: Durch die Überalterung in Deutschland sterben mehr Mitglieder als neue dazu kommen. Außerdem treten viele Frauen und Männer mit der Rente aus der Gewerkschaft aus. Das sorgt zwar für eine Verjüngung der Arbeitnehmerschaft. Unter den unter 30-Jährigen sind nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln jedoch nur zwölf Prozent gewerkschaftlich organisiert
Weitere Gründe für den Verlust von Mitgliedern:
- Arbeitslosigkeit: Höhere Arbeitslosenzahlen bedingen, dass Arbeitnehmer aus ihrer Gewerkschaft austreten.
- Steigerung der Lebenshaltungskosten/abnehmende Kaufkraft: Durch abnehmende Kaufkraft sparen viele Beschäftigte an ihren monatlichen Ausgaben. Darunter fallen auch die Mitgliedsbeiträge für die Gewerkschaft.
- Andere Beschäftigungsformen: Immer mehr Arbeitnehmer sind im Niedriglohnsektor oder Teilzeitbeschäftigte. Sie wurden befristet eingestellt, sind Leiharbeiter oder Einzelunternehmer. Die Gewerkschaft spielt dann keine Rolle.
- Individualisierung des Einzelnen: Die zunehmend individualistische Gesellschaft rückt von Großorganisationen ab.
- Gewerkschaften passen sich nicht der Arbeitswelt an: Gewerkschaften wird vorgeworfen, nicht mehr zeitgemäß zu sein: In den vergangenen Jahrzehnten sind expandierende Branchen entstanden (Dienstleistungs- und IT-Branche). die Gewerkschaften haben diese Entwicklung zum Großteil verpasst.
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Gewerkschaft: Mitglieder haben sichere Arbeitsplätze
Eindeutiger Vorteil für Gewerkschaftsmitglieder: Im Fall von Auseinandersetzungen, die Fragen des Arbeitsrechts berühren, sind sie durch ihre Gewerkschaft geschützt. Die Gründung einer Gewerkschaft lohnt sich daher allemal.
Ein Beispiel: Wenn es um Kündigungen geht, hilft die zuständige Gewerkschaft weiter. Das liegt daran, dass Gewerkschaftsmitglieder laut Arbeitsrecht Anspruch auf eine kostenlose Rechtsberatung haben. Sie können deshalb erfolgreicher gegen eine Kündigung angehen als Nicht-Mitglieder.
Sollte die rechtliche Auseinandersetzung vor Gericht gehen, vertritt ein Anwalt seinen Mandanten auch vor dem Richter. Laut der Gewerkschaft Verdi steigt auch das finanzielle Risiko für den Arbeitgeber, wenn er ein Gewerkschaftsmitglied entlassen will: Der Unternehmer muss nicht nur einen längeren Rechtsstreit im Kauf nehmen, sondern möglicherweise höhere und häufiger Abfindungen zahlen. Deshalb, heißt es, würden bevorzugt Mitarbeiter ohne Mitgliedsausweis einer Gewerkschaft entlassen.
Im Umkehrschluss: Arbeitsplätze gewerkschaftlich organisierter Mitarbeiter sind sicherer, so Verdi. Zu diesem Schluss ist auch die Studie „Trade Union Membership and Dismissals“ (Autoren: Laszlo Goerke und Markus Pannenberg) gekommen. Danach liege das Risiko, entlassen zu werden, für Gewerkschaftsmitglieder bei 1,3 Prozent, für Nicht-Mitglieder bei 3,6 Prozent. Befürchtungen, durch einen Beitritt Repressalien des Arbeitgebers ausgesetzt zu sein, sollten Arbeitnehmer nicht haben. Druck oder sogar Kündigungen wegen einer Gewerkschaftszugehörigkeit sind rechtswidrig.
Weitere Vorteile, die sich durch eine Gewerkschaftszugehörigkeit ergeben: | |
Arbeitnehmer sind finanziell abgesichert, wenn ein Arbeitskampf geführt wird. | Lohn oder Gehalt wird durch Streikgeld ersetzt. |
Gewerkschaftler haben gute Möglichkeiten, sich weiterbilden. | Gewerkschaften bieten viele Möglichkeiten zur Weiterbildung und Freizeitaktivitäten wie Sport an. |
Mächtige Gewerkschaften mit vielen Mitgliedern erstreiten gute Tarifverträge. | Je mehr Mitglieder eine Gewerkschaft zählt, desto besser sind die Verhandlungsmöglichkeiten bei Auseinandersetzungen mit Unternehmern und dem jeweiligen Arbeitgeberverband. |
Arbeitnehmer können mitbestimmen. | Nicht nur Gewerkschaften haben ein Mitbestimmungsrecht in Unternehmen – auch Arbeitnehmer sind an Entscheidungsprozessen ihrer Gewerkschaft zum Beispiel über den Betriebsrat beteiligt. |
Vergünstigungen für Reisen, Versicherungen und mehr. | Mitglieder einer Gewerkschaft genießen Rabatte und andere finanzielle Vorteile in vielen Bereichen. |
Nachteile von Gewerkschaften: Sie sind überschaubar
Die Aufgabe von Gewerkschaften ist die Durchsetzung der Arbeitnehmerinteressen durch die Aushandlung von Lohnerhöhungen, guten Tarifverträgen, besseren Arbeitsbedingungen und noch viel mehr. Während die Vorteile, Mitglied in einer Gewerkschaft zu sein, auf der Hand liegen, sind Nachteile für Arbeitnehmer ohne weiteres nicht erkennbar: Denn der Mitgliedsbeitrag liegt bei zirka einem Prozent des Bruttoeinkommens. Diesen Betrag können viele Arbeitnehmer verschmerzen.
Vielerorts wird die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft als Karrierekiller gesehen. Sicherlich muss sich die Frage nach dem Sinn einer Mitgliedschaft gestellt werden, wenn der Arbeitnehmer Teil der Führungsspitze in einem Unternehmen ist oder eine andere führende Position ausübt. Die Unternehmensleitungen bauen schließlich auf die Loyalität ihrer Führungskräfte und sehen Streiks mittels Gewerkschaft eher als Vertrauensbruch.
Fazit – Vorzüge und Schwachstelle
Mitglied einer Gewerkschaft zu sein, hat für Beschäftigte mehr Vor- als Nachteile. Die Arbeitnehmer profitieren auf vielfältige Weise. Allerdings nur dann, wenn die Gewerkschaft durchsetzungsstark ist und ihre Forderungen vehement vertritt.
Autor: Redaktion Personalwissen
Häufige Fragen zum Thema Vor- und Nachteile der Gewerkschaft
Die meisten Gewerkschaften verlangen ein Prozent des monatlichen Bruttolohns als Mitgliedsbeitrag. Für Erwerbslose gibt es Sondertarife.
Wenn eine Gewerkschaft viele Mitglieder zählt, kann ein Tarifvertrag auch dann durchgesetzt werden, wenn ein Unternehmen nicht Mitglied im Arbeitgeberverband ist.
Ja, denn auch hier gibt es etliche Tarifverträge, die zwischen Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften verhandelt worden sind. In den Verträgen geht es unter anderem um Rahmenbedingungen, Eingruppierungen, Mindeststundenentgelte, Zulagen und Entgeltumwandlung.