Schäden durch Auszubildende: Wie steht es um die Azubi-Haftung?

Schäden durch Auszubildende: Wie steht es um die Azubi-Haftung?

Am Arbeitsplatz lassen sich Fehler nicht immer vermeiden – das gilt auch für Auszubildende. Aus diesem Grund existieren genaue Regelungen, wer im Falle eines Azubi-Schadens die Haftung übernimmt. 

    Welche Arten von Fehlern gibt es und wer muss für den Schaden haften?

    Schaden ist nicht gleich Schaden. Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) werden Missgeschicke bis Unfälle im betrieblichen Umfeld unterschiedlich bewertet. Grundsätzlich entscheidend dabei ist, ob dem Unternehmen absichtlich Schaden zugefügt wurde, oder nicht – woraus sich vier Kategorien ergeben:

    • leichte Fahrlässigkeit
    • mittlere Fahrlässigkeit
    • grobe Fahrlässigkeit
    • Vorsatz

    Eine Einschätzung nach diesen Verschuldungsgraden entscheidet anschließend, in welchen Anteilen ein Auszubildender oder Angestellter sowie der Arbeitgeber finanziell für den Schaden aufkommen müssen.

    Unter anderem kann hier die sogenannte „Eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung“ in Kraft treten. Auf Grundlage dieser Rechtsprechung kann der Arbeitnehmer – solange er dem Unternehmen dienliche Tätigkeiten übernimmt – die Kosten für den verursachten Schaden auf seinen Arbeitgeber entweder anteilig oder sogar komplett übertragen.

    Wichtiger Hinweis: Bei den Verschuldungsgraden unterscheidet das Recht grundsätzlich nicht zwischen einem ausgelernten Mitarbeiter, einer Führungskraft und einem Auszubildenden. Die Position eines Azubis bestimmt jedoch die Höhe der Quoten, die er im Falle eines Schadens anteilig bezahlen muss.

    Leichte Fahrlässigkeit

    Wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise stolpert und im Zuge dessen sein Arbeitshandy fallen lässt, spricht man von leichter Fahrlässigkeit. Es ist also ein Schaden, der als alltägliches Missgeschick zählen kann. Hier muss der Angestellte nicht für den verursachten Sachschaden aufkommen.

    Mittlere Fahrlässigkeit

    Bei diesem Fall lautet die Devise: „Passiert nicht jedem, ist aber noch verständlich.“ Bei einem Azubi kann dies zum Beispiel der Fall sein, wenn er eine Maschine falsch bedient hat, obwohl er von seinem Ausbilder korrekt eingewiesen wurde. Hier muss der Azubi nur eine anteilige Haftung übernehmen. Normale Arbeitnehmer können auch verpflichtet werden, die kompletten Schadenskosten zu übernehmen. 

    Außerdem wissenswert: Ab dieser Schwelle gilt der betriebliche Schadensausgleich nicht mehr.

    Grobe Fahrlässigkeit

    Wenn ein Arbeitnehmer jegliche Sorgfalt außer Acht lässt, spricht man von grober Fahrlässigkeit. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Angestellte das Firmenauto benutzt, obwohl er keinen Führerschein besitzt. Beschädigt er dann etwas, muss er im Schadensfall für die kompletten Kosten aufkommen.

    Vorsatz

    Handelt ein Arbeitnehmer bewusst und willentlich zum Nachteil der Firma oder des Ausbildungsbetriebs, spricht man vom Verschuldungsgrad „Vorsatz“. Ihm ist die Tragweite seiner Handlung bewusst. Er kann daher auch für den Schadensfall belangt werden.

    Gut zu wissen: Ausgenommen sind Schadensfälle, die außerhalb der Arbeitstätigkeit des Mitarbeiters entstanden sind. Dazu zählt beispielsweise ein Mitarbeiter, der zum privaten Vergnügen mit dem Geschäftsauto über das Werksgelände fährt und dabei einen Unfall verursacht.

    Im Schadensfall: Welche Besonderheiten ergeben sich für Azubis und die Haftung?

    Das Gesetz macht ab der mittleren Fahrlässigkeit eine Unterscheidung zwischen fest angestelltem Personal und dem Auszubildenden. Das ergibt sich aus der Sonderstellung eines Lehrlings, der noch nicht über genügend Wissen und Erfahrung verfügen kann. Auch sein möglichweise mangelndes Einschätzungsvermögen für die Konsequenzen seiner Handlung sowie seine Unerfahrenheit kommen ihm hier „zugute“. 

    Somit haftet der Azubi in einem Fall der mittleren Fahrlässigkeit immer nur nach Quoten. Aus Gründen der Existenzgefährdung gilt für einen Auszubildenden zudem bei einem Schadensersatz der mittleren Fahrlässigkeit eine maximale Grenze von einem halben bis zu einem Monatsgehalt. Bei einer groben Fahrlässigkeit sind es höchstens drei Monatsgehälter.

    Weiterhin ist der Ausbilder in der Beweispflicht. Er muss drei Dinge nachweisen können, um den Azubi haftbar zu machen:

    • das Fehlverhalten des Azubis
    • den dadurch verursachten Schaden
    • das Verschulden des Lehrlings
    Wichtiger Hinweis: Der Ausbilder trägt eine besondere Verantwortung für seinen Lehrling und kann sich daher in einem Schadensfall auch selbst haftbar machen. Zudem gilt dies auch für Schadensfälle, in denen es schon zu ähnlichen Vorkommnissen gekommen war, bei denen das Ausbildungspersonal den Auszubildenden aber nicht auf sein falsches Verhalten aufmerksam gemacht hat. Der Azubi hatte daher nicht die Chance, sein fehlerhaftes Verhalten zu korrigieren, wodurch es zu einem Sachschaden gekommen ist.


    Eine Sonderstellung genießen zudem minderjährige Auszubildende. So sind Unter-18-Jährige nicht für verursachte Schadensfälle haftbar, wenn sie bei ihrer Schadenshandlung nicht ausreichend einsichtsfähig waren. Ob das der Fall ist, entscheidet ein Gericht immer individuell. Außerdem kann dem Azubi eine zusätzliche Haftungsbeschränkung zugesprochen werden, wenn er nur unzureichend in seine Tätigkeit eingewiesen wurde.

    Arbeitsunfall mit Personenschäden: Zahlen Azubis Schmerzensgeld?

    Entsteht durch einen Auszubildenden ein Schaden an einem seiner Kollegen, ist die Sachlage erneut anhand der vier Verschuldungsgrade zu bewerten. Schmerzensgeld muss ein Azubi jedoch nur zahlen, wenn der anderen Person absichtlich Schaden zugefügt wurde. Handelte es sich bei der Verletzung um einen betrieblichen Unfall innerhalb aller Fahrlässigkeitsstufen, haftet nach dem Sozialgesetzbuch (§ 105 SGB VII) die Unfallversicherung – der Azubi muss somit nicht für den Schaden aufkommen.

    Info: Diese rechtliche Regelung gilt grundsätzlich für alle Mitarbeiter eines Unternehmens. Ausnahmen für Auszubildende greifen bei vorsätzlichen Personenschäden und Verletzungen gegenüber Kollegen deshalb nicht.

    Darf man das Azubi-Gehalt bei einem Schadensfall einbehalten?

    Hat der Lehrling einen Sach- oder Geldschaden verursacht, ist die Idee naheliegend: Der Arbeitgeber behält die Höhe der Kosten für den Schaden einfach ein. Doch: Das kann das Unternehmen nur in ganz vereinzelten Ausnahmefällen machen.

    Hier gilt:

    • Die Netto-Ausbildungsvergütung muss über 1.330,16 Euro pro Monat liegen. Denn: So hoch liegt die Pfändungsfreigrenze im Jahr 2022. Verdient der Azubi weniger – was bei den allermeisten Lehrlingen der Fall ist – kann der Arbeitgeber das Gehalt nicht einbehalten. Das Bundesministerium der Justiz berechnet die Pfändungsfreigrenzen des Arbeitsentgelts seit 2021 jedes Jahr am 1. Juli neu.
    • Eine Ausnahme: Hat der Auszubildende vorsätzlich gehandelt und das Unternehmen absichtlich geschädigt, greift das Aufrechnungsverbot nicht mehr – Die Firma kann die Vergütung einbehalten, solange dem Azubi immer noch ein Existenzminimum in Höhe des derzeitigen Hartz IV-Regelbedarfssatzes bleibt.
    Wichtiger Hinweis: Im Zweifelsfall sollten Sie immer mit einem Arbeitsrechtler sprechen. Er kann Sie eingehend beraten, welche Möglichkeiten es bei Schäden gibt, die durch Azubis verursacht wurden und wie es um die Azubi Haftung steht.

    Fazit: Das können Unternehmen bei Azubi-Schäden tun

    Blickt man auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, wird deutlich: Bei verursachten Schäden haften Azubis im Grunde genauso wie Arbeitnehmer. Insbesondere was die Arbeitnehmerhaftung angeht, gibt es kaum Unterschiede. Dennoch kommt Auszubildenden durch ihre potenziell mangelnde Erfahrung und ihren Lehrlingsstatus eine Sonderstellung zu.

    Bei allen Azubis, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, treten ebenfalls einige Sonderregelungen in Kraft: Personalverantwortliche des Ausbildungsbetriebs müssen nicht nur auf strengere Arbeitszeitregelungen achten, sondern auch auf die Richtlinien zur Azubi Haftung. Nichtsdestoweniger gilt: Azubis müssen sich – wie alle Mitarbeiter – ihrer Verantwortung stellen. Vor allem, wenn sich nachweisen lässt, dass sie sich über die daraus resultierenden Konsequenzen im Klaren waren und vorsätzlich gehandelt haben.

    FAQ zum Thema Schäden durch Auszubildende

    Wer haftet für Schäden in der Ausbildung?

    Im Falle von Azubi-Schäden ist der Verschuldungsgrad zu bestimmen: Ab einer mittleren Fahrlässigkeit zahlen Auszubildende Anteile. Liegen eine grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vor, kommt er allein für den Schadensersatz auf.

    Wie hoch ist die Pfändungsfreigrenze bei Auszubildenden?

    Die Pfändungsfreigrenze bei Azubis liegt 2022 bei einer monatlichen Netto-Ausbildungsvergütung von 1.330,16 Euro. Die jährliche Aufrechnung der Freigrenze nimmt das Bundesministerium der Justiz am 1. Juli vor.

    Müssen Azubis für Personenschäden aufkommen?

    Schmerzensgeld müssen Auszubildende grundsätzlich dann zahlen, wenn ein Kollege unter Vorsatz im betrieblichen Umfeld zu Schaden kam. Diese Regelung gilt für alle Mitarbeiter gleichermaßen.

    Ein Auszubildender hat aus Versehen den Laptop des Arbeitgebers kaputt gemacht – muss er haften?

    Ging der Laptop aufgrund einer leichten Fahrlässigkeit zu Bruch, kommt der Ausbildungsbetrieb für den Schaden auf. Bei einer mittleren Fahrlässigkeit übernimmt der Auszubildende einen Teil der Kosten.