Der Fall:
Ein Arbeitnehmer war bei seinem Arbeitgeber als Lehrkraft angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis fand u. a. der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. In den Monaten Januar und Februar 2023 nahm der Arbeitnehmer an sechs Tagen Urlaub. Vom 3.3.2023 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.6.2024 war er arbeitsunfähig erkrankt.
Nach der Beendigung zahlte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung für 37 Urlaubstage. Darin enthalten war für das Jahr 2023 ein Resturlaubsanspruch von 14 Tagen und fünf Tage Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung. Der Arbeitnehmer forderte Urlaubsabgeltung für zehn weitere Tage für das Jahr 2023. Hierbei handelte es sich um den sogenannten tariflichen Mehrurlaub (Urlaubsanspruch über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus).
§ Das Urteil:
Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin wies die Klage ab. Der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf weitere Urlaubsabgeltung. Der Anspruch auf die zehn Tage tariflichen Mehrurlaub sei am 31.5.2024 verfallen. Nach den anzuwendenden Regelungen des TV-L verfällt der Urlaubsanspruch spätestens zum 31.5.2024, wenn er zuvor wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden kann.
Der gesetzliche Mindesturlaub von noch 14 Tagen für das Jahr 2023 (also 20 Tage abzüglich der genommenen sechs Urlaubstage) konnte dagegen nicht zum 31.5.2024 verfallen. Die Rechtsprechung des BAG sieht vor, dass die gesetzlichen Mindesturlaubstage bei Arbeitsunfähigkeit frühestens mit Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres untergehen können (heißt: zum 31.3.2025).
Dem Verfall des tariflichen Mehrurlaubs stand demgegenüber nicht entgegen, dass der Arbeitgeber nicht mitgewirkt und den Arbeitnehmer mittels Schreibens ausdrücklich zum Urlaubnehmen aufgefordert habe. Zwar sei dies nach der neueren Rechtsprechung des BAG Grundvoraussetzung für den Verfall des Urlaubs. Hier jedoch hätte der Arbeitnehmer den Urlaub selbst bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Mitwirkungshandlungen aus gesundheitlichen Gründen nicht antreten können. In einem solchen Fall sei der Zusammenhang zwischen der Nichtinanspruchnahme des Urlaubs und des unterbliebenen Hinweis- bzw. Aufforderungsschreibens jedenfalls nicht gegeben (ArbG Berlin, 1.4.2025, 22 Ca 10693/24).
Meine Empfehlung!
Scheiden Mitarbeitende aus dem Betrieb aus und können sie den Urlaub nicht mehr nehmen, haben sie Anspruch auf die finanzielle Abgeltung des Resturlaubs (§ 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz). Unerheblich ist dabei, aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis endete. Der abzugeltende Resturlaub ist der noch offene Urlaub für das laufende Kalenderjahr. Aber auch Urlaub aus vorangegangenen Jahren (übertragener Urlaub) kann abzugelten sein. Hierfür ist jedoch Voraussetzung, dass wegen dringender betrieblicher oder persönlicher Gründe der Urlaub im eigentlichen Urlaubsjahr nicht angetreten werden konnte, obwohl die oder der Betroffene aufgefordert wurde, diesen zu nehmen.
Eine Ausnahme gilt nur bei Dauerkranken
Sind Arbeitnehmende seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.3. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert, ihren Urlaub anzutreten, verfällt der Urlaubsanspruch (mit Ablauf von 15 Monaten ab Ende des relevanten Kalenderjahres). In dieser Konstellation kommt es auch nicht darauf an, ob die Unternehmensleitung ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätte beitragen können.
ACHTUNG
Anders sieht es jedoch aus, wenn Arbeitnehmende im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet haben, bevor sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden sind. Dann muss die Führungskraft rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die Mitwirkung wahrnehmen (BAG, 20.12.2022, 9 AZR 245/19).
Die Mitwirkungspflicht gilt in erster Linie für den gesetzlichen Mindesturlaub. Der vertragliche bzw. tarifliche Mehrurlaub folgt dem Mindesturlaub grundsätzlich, wenn keine anderen Vereinbarungen getroffen worden sind. Es kann also vereinbart werden, dass der Mehrurlaub am Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums verfällt, auch wenn Arbeitgebende zuvor nicht den Mitwirkungspflichten nachgekommen sind.
Auch wenn bei langzeiterkrankten Mitarbeitenden keine Hinweispflicht auf offene Urlaubstage besteht, gilt für alle anderen Beschäftigten: Damit Urlaubsansprüche nicht verfallen oder sich über Jahre ansammeln, ist eine vorausschauende Planung entscheidend.
Wer frühzeitig den Überblick behält, kann Fristen einhalten, Vertretungen besser organisieren und unnötige Konflikte im Team vermeiden. Eine klare Urlaubsplanung sorgt nicht nur für Ruhe im Betriebsablauf, sondern hilft auch, rechtliche Risiken zu minimieren.
Lesen Sie hier, wie Sie die Urlaubssaison konsequent und stressfrei organisieren – und nutzen Sie anschließend unseren Excel-Rechner zur Urlaubsplanung, um Abwesenheiten und Resturlaubstage übersichtlich im Blick zu behalten.