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Urlaub nicht genommen: Zahlen Sie keine Urlaubsabgeltung, bevor der Mitarbeiter sie verlangt

Urlaubsabgeltung steht grundsätzlich jedem Mitarbeiter zu, der am Ende des Arbeitsverhältnisses seinen Urlaub nicht vollständig genommen hat. Trotzdem müssen Sie als Arbeitgeber die Urlaubsabgeltung nicht von sich aus bezahlen. Wenn Ihr Mitarbeiter sie zu spät fordert, geht er leer aus. Das gilt sogar, wenn der offene Resturlaub aus einer von Ihnen ausgestellten Urlaubsbescheinigung hervorgeht (Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, 16.1.2025, Az. 10 Sa 697/24).
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Hildegard Gemünden

30.06.2025 · 3 Min Lesezeit

Der Fall: 21 Tage Resturlaub nach der Probezeitkündigung

Das Arbeitsverhältnis einer zum 5.4.2022 eingestellten Arbeitnehmerin endete, nachdem der Arbeitgeber ihr kurz vor Ablauf der Probezeit am 29.9.2022 zum 31.10.2022 gekündigt hatte. Ende Oktober 2022 händigte er ihr zudem eine Urlaubsbescheinigung aus, wonach sie für das Jahr 2022 Anspruch auf 28 Urlaubstage hatte, wovon sie 7,5 Tage genommen hatte. Eine Kündigungsschutzklage der Mitarbeiterin endete im Juni 2023 mit einem gerichtlichen Vergleich, der das Beschäftigungsende am 31.10.2022 bestätigte und der Mitarbeiterin ein sehr gutes Zeugnis zusicherte.

Die Forderung der Mitarbeiterin: Bereits im Januar 2023 sprach ihr Anwalt in einem Telefonat mit dem Anwalt des Arbeitgebers an, dass das Thema Resturlaub noch zu klären sei. Am 13.2.2023 verlangte er per E-Mail Urlaubsabgeltung für den nicht genommenen Urlaub, was der Arbeitgeber mit E-Mail vom 22.2.2023 ablehnte. Am 4.7.2023 erhob die Mitarbeiterin deshalb Klage.

Die Argumente des Arbeitgebers: Die Mitarbeiterin hätte ihren Urlaub nach Erhalt der Kündigung nehmen können. Außerdem sei die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist von 3 Monaten bereits abgelaufen.

Die Argumente der Mitarbeiterin: Sie meinte, die Urlaubsabgeltung stünde ihr aus folgenden Gründen noch zu:

  • Eine Ausschlussklausel könne Urlaubsabgeltungsansprüche nicht erfassen, weil sonst der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub unterlaufen würde.
  • Falls die Ausschlussklausel dennoch gelte, habe sie diese nicht versäumt, weil Ansprüche auf Urlaubsabgeltung vor Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens nicht durchsetzbar seien.
  • Außerdem habe der Arbeitgeber mit der Urlaubsbescheinigung einen Vertrauenstatbestand geschaffen, sodass eine förmliche Geltendmachung des Abgeltungsanspruchs nicht erforderlich gewesen sei.

§  Das Urteil: Urlaubsbescheinigung sichert keine Urlaubsabgeltung, …

Sie als Arbeitgeber sind verpflichtet, Ihren ausscheidenden Mitarbeitern eine Urlaubsbescheinigung auszustellen, aus der der jährliche Urlaubsanspruch Ihres Mitarbeiters hervorgeht und ebenso, wie viel Urlaub der Mitarbeiter hiervon im laufenden Kalenderjahr schon in natura oder durch Abgeltung erhalten hat. Die Urlaubsbescheinigung dient einem potenziellen neuen Arbeitgeber dazu, den verbleibenden Urlaubsanspruch korrekt zu ermitteln und Doppelansprüche zu vermeiden. Aus einer Urlaubsbescheinigung können Ihre Mitarbeiter daher nicht schließen, dass Sie als Ex-Arbeitgeber den verbliebenen Resturlaub finanziell abgelten werden.

… die Kündigungsschutzklage umfasst keine Urlaubsabgeltungsansprüche …

Ansprüche auf Urlaubsabgeltung sind im Fall einer Kündigungsschutzklage tatsächlich nicht vor Abschluss des Rechtsstreits durchsetzbar. In diesem Punkt hatte die Mitarbeiterin im Urteilsfall recht. Allerdings hätte die Mitarbeiterin mit ihrer Kündigungsschutzklage hilfsweise für den Fall ihres Unterliegens die Zahlung von Urlaubsabgeltung beantragen können. Weil dieser Hilfsantrag fehlte, richtete sich ihre Klage allein auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und war in Bezug auf die Urlaubsabgeltung wirkungslos.

… und eine wirksame Ausschlussklausel umfasst auch die Urlaubsabgeltung

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann eine vertragliche Ausschlussklausel auch Ansprüche auf Urlaubsabgeltung umfassen. Denn hierbei handelt es sich um einen reinen Geldanspruch, der keinen Einfluss auf den gesetzlichen Mindesturlaub hat.

Allerdings unterliegen solche Ausschlussklauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen der gerichtlichen Kontrolle. Sie sind unwirksam, wenn etwa die Ausschlussfrist weniger als 3 Monate beträgt oder wenn die Klausel auch Forderungen umfasst, auf die Ihr Mitarbeiter nicht wirksam verzichten kann. Solche Unwirksamkeitsgründe lagen im Urteilsfall nicht vor.

Weil der Anspruch auf Urlaubsabgeltung immer am Ende des Arbeitsverhältnisses fällig wird – hier also am 31.10.2022 –, hätte die Mitarbeiterin ihre Forderung spätestens am 31.1.2023 in Textform (z. B. per E-Mail) stellen müssen. Diese Frist hatte sie versäumt, denn die telefonische Geltendmachung durch ihren Anwalt genügte nicht. Der Arbeitgeber muss ihr deshalb keine Urlaubsabgeltung bezahlen.

 

Muster: Mit dieser Ausschlussklausel kann Urlaubsabgeltung wirksam verfallen

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind von den Vertragsparteien innerhalb von 3 Monaten ab ihrer Fälligkeit in Textform (z. B. per E-Mail oder Fax) geltend zu machen. Andernfalls verfallen die Ansprüche. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder äußert sie sich innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung nicht hierzu, verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten ab der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Die Ausschlussfristen gelten nicht für Ansprüche, die kraft Gesetzes der vereinbarten Ausschlussfrist entzogen sind. Das gilt insbesondere für den gesetzlichen Mindestlohn.

Arbeitshilfen

  • Musterformulierung: Ausschlussklausel zur Urlaubsabgeltung

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Hildegard Gemünden ist seit mehr als 20 Jahren als Chefredakteurin, Autorin und Beraterin tätig. Sie ist spezialisiert auf Arbeits-, Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht sowie eine moderne Mitarbeiterführung