Arbeitsrecht

Kündigung wegen Unterschlagung: Nur wenn Sie alle relevanten Indizien rechtzeitig darlegen

Ein Mitarbeiter hat Geld unterschlagen: Das ist ein klassischer Grund, ihm fristlos zu kündigen. Bei der Beweisführung ist jedoch Sorgfalt geboten, wenn Ihre Kündigung vor Gericht bestehen soll (LAG Rheinland-Pfalz, 20.2.2025, 5 SLa 146/24).

Hildegard Gemünden

02.06.2025 · 3 Min Lesezeit

Der Fall: Fahrlehrer behält 600 €

Der Sachverhalt: Ein Fahrlehrer hatte am 29.11.2023 – ca. 3 Wochen vor Ablauf seiner 3-monatigen Probezeit – von einer Fahrschülerin 600 € in bar erhalten und quittiert. Er zahlte das Geld aber weder auf das Konto seines Arbeitgebers ein noch gab er es im Büro ab. Vom 30.11. bis zum 15.12.2023 war der Mitarbeiter arbeitsunfähig krank. Am 11.12. übergab der Arbeitgeber dem Mitarbeiter an dessen Wohnort die ordentliche Kündigung zum 31.12. – vermutlich wegen der Arbeitsunfähigkeit während der Probezeit. Gleichzeitig verlangte er die Herausgabe des dienstlichen Tablets und des Lehrfahrzeugs und nahm diese mit zurück in die Fahrschule. Mit Schreiben vom 12.12. kündigte er dem Mitarbeiter zudem fristlos wegen der Unterschlagung.

Die Klage: Der Mitarbeiter klagte gegen beide Kündigungen und bestritt die Unterschlagung. Er habe das Bargeld am 29.11. in das Handschuhfach des Fahrzeugs gelegt und wegen seiner anschließenden Arbeitsunfähigkeit nicht abgeben oder einzahlen können. Bei der Rückgabe des Fahrzeugs am 11.12. habe er sich überrumpelt gefühlt und vergessen, auf das Geld im Handschuhfach hinzuweisen. Möglicherweise sei das Geld auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers entwendet worden, da die Fahrzeugschlüssel für alle Mitarbeiter der Fahrschule frei zugänglich seien.

Das Arbeitsgericht erklärte die fristgemäße Probezeitkündigung zwar für wirksam, die fristlose jedoch für unwirksam.

Die Berufung: Der Arbeitgeber versuchte, auch die fristlose Kündigung durchzusetzen und legte Berufung zum LAG ein. Weil der Mitarbeiter die 600 € unbestritten an sich genommen habe, hätte dieser beweisen müssen, dass er das Geld im Handschuhfach deponiert habe. Diesen Beweis sei er jedoch schuldig geblieben.

Erst in der mündlichen Verhandlung beim LAG ergänzte der Arbeitgeber: Der Mitarbeiter sei verpflichtet gewesen, den Erhalt der 600 € sofort über das dienstliche Tablet als Einzahlung zu erfassen. Weil er das versäumt habe, habe der Arbeitgeber das Geld bei der Rückgabe des Wagens noch nicht vermisst. Er sei erst durch einen Hinweis der Fahrschülerin auf den Fehlbetrag aufmerksam geworden. Der Mitarbeiter hätte das Geld zudem während seiner Arbeitsunfähigkeit abgeben oder einzahlen können. Denn er habe in dieser Zeit das Lehrfahrzeug betankt und den Tank anschließend leer gefahren.

§ Das Urteil: Wer zu spät kommt …

Der Arbeitgeber hätte in seiner Berufungsbegründung aufzeigen müssen, was gegen die Behauptungen des Mitarbeiters spricht, die 600 € hätten sich bei Abholung des Fahrzeugs im Handschuhfach befunden und sie seien womöglich auf dem Betriebsgelände der Fahrschule abhandengekommen. Solche Argumente hatte der Arbeitgeber aber erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Das war jedoch zu spät, weil der Mitarbeiter in der Verhandlung krankheitsbedingt nicht anwesend war und folglich zu den neuen Argumenten nicht Stellung nehmen konnte.

Das LAG hätte die verspäteten Argumente zwar zulassen können, wenn sich das Verfahren hierdurch nicht verzögert hätte oder wenn der Arbeitgeber die Verzögerung nicht verschuldet hätte. Beides war hier jedoch der Fall, sodass es bei der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung blieb.

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