Der Fall:
Ein ehemaliger Arbeitnehmer begehrte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses von seinem ehemaligen Arbeitgeber noch die Abgeltung von insgesamt 54 Urlaubstagen aus den Jahren 2020 bis 2022. Der Arbeitgeber wies diese Forderung größtenteils zurück, weil sich der Arbeitnehmer während des relevanten Zeitraums in Kurzarbeit befunden habe. Es sei aufgrund der Corona-Pandemie eine wirksame „Ergänzungsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit“ getroffen worden.
Der Arbeitnehmer sah es jedoch anders. Die Vereinbarung habe u. a. vorgesehen, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit „wöchentlich“ anpassen oder „sofort“ ganz abbrechen durfte, wie es ihm beliebte. Damit einhergehend hätte er den Arbeitnehmer „jederzeit zur Wiederaufnahme der vollen Tätigkeit zurückrufen“ können. Zudem sei deren Ende völlig offen gewesen. Dies habe für die betroffenen Arbeitnehmer zum Verlust jeder Planungssicherheit geführt. Auch hätte die Vereinbarung konkrete betriebliche Gründe nennen müssen.
Der Arbeitgeber hielt dem entgegen, dass das Fehlen einer Ankündigungsfrist nicht zur Unangemessenheit geführt habe, weil er aufgrund der COVID-19-Pandemie schnell auf die häufigen Lageänderungen hätte reagieren müssen. Die Angabe eines konkreten Enddatums wäre überflüssig gewesen, weil je nach der Pandemielage über eine Verlängerung oder Aufhebung der Kurzarbeit ohnehin nicht vor einem angekündigten Endtermin hätte entschieden werden können. Folglich stünde dem Kläger für das Kalenderjahr 2020 ein Urlaubsanspruch von nur vier Tagen und für das Jahr 2021 von nur zehn Tagen zu. Für das Jahr 2022 bestünde gar kein Anspruch.
§ Das Urteil:
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen gab nun dem Arbeitnehmer recht. Dieser habe Anspruch auf die Abgeltung sämtlicher Urlaubstage, weil keine wirksame Kurzarbeitsvereinbarung geschlossen worden sei. Die getroffene „Ergänzungsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit“ sei vielmehr unwirksam gewesen, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt habe. Sie sei insbesondere im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion des Arbeitsentgeltes zu weitgehend gewesen. Insbesondere habe die „Ergänzungsvereinbarung“ die Einführung von Kurzarbeit unabhängig davon ermöglicht, ob dem von ihr betroffenen Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld gezahlt wird oder nicht.
Schließlich liege eine unangemessene Benachteiligung auch darin, dass ein voraussichtliches Enddatum der Kurzarbeit nicht angegeben wurde. Es blieb völlig offen, wann sich der Arbeitgeber für die „Wiederaufnahme des gewohnten Arbeitsablaufes“ entscheiden würde und damit, wie lange der Arbeitnehmer ohne Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber bleiben würde (LAG Niedersachsen, 04.02.2025, Az. 10 SLa 470/24).
Meine Empfehlung:
Im dargestellten Urteil störte sich das Gericht vor allem daran, dass die Anordnung von Kurzarbeit unabhängig von der Gewährung von Kurzarbeitergeld möglich sein sollte. Mit einer solchen Regelung würde das Lohnausfallrisiko auf den Arbeitnehmer übertragen, was eine unangemessene Benachteiligung darstellt.
TIPP:
Gehen Sie auf Nummer sicher und koppeln Sie Ihre Möglichkeit zur Anordnung von Kurzarbeit am besten immer an die Bewilligung und Gewährung von Kurzarbeitergeld.
So sichern Sie sich das Recht auf Kurzarbeit
Existieren in Ihrem Unternehmen keine tariflichen Vorgaben, können Sie mit der folgenden Musterformulierung in Ihren künftigen Arbeitsverträgen Ihren Handlungsspielraum erheblich verbessern.
§ … Kurzarbeit
Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit anordnen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfüllt sind. Dies ist der Fall, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III).
Der Mitarbeiter ist damit einverstanden, dass für die Dauer der Kurzarbeit die Vergütung dem Verhältnis der verkürzten zur regelmäßigen Arbeitszeit entsprechend reduziert wird.