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Die 3 besten Strategien aus der Praxis, um Ihre Mitarbeitenden zu coachen

Lassen Sie uns ehrlich sein: „Coaching“ ist so ein Wort, das sich wunderbar in Unternehmensleitbildern macht, aber in der Praxis oft irgendwo zwischen Excel-Tabellen, Zielvorgaben und „Dafür habe ich keine Zeit“ verloren geht. Der gute Vorsatz, Ihre Mitarbeitenden individuell weiterzuentwickeln, scheitert an den tausend Brandherden, die täglich gelöscht werden müssen.

Guido Bonau

24.04.2025 · 5 Min Lesezeit

Aber was, wenn Coaching kein extra Zeitblock wäre? Was, wenn es kein theoretisches Konstrukt, sondern ein fest integrierter Bestandteil Ihres Führungsalltags sein könnte – so nahtlos, dass Sie es fast gar nicht merken?

Genau darum geht es hier. Kein Buzzword-Bingo, keine Tipps aus der Schublade „Lächeln Sie öfter und loben Sie oft“. Stattdessen drei erprobte Methoden, die Ihnen helfen, Ihre Mitarbeitenden so zu coachen, dass sie wachsen – ohne dass Sie zum nächsten hauptberuflichen Motivationsguru werden müssen.

Denn eines ist klar: Sie können die Unternehmenskultur vielleicht nicht ändern oder über neue Programme entscheiden. Aber Sie haben jeden Tag Einfluss – direkt, konkret und wirkungsvoll. Wie? Lassen Sie uns loslegen.

1. Nutzen Sie die Macht des „Nichtwissens“ – stellen Sie dumme Fragen

Führungskräfte glauben oft, sie müssten die schlauesten Köpfe im Raum sein. Schließlich hängt es von ihnen ab, ob die Dinge laufen – oder eben nicht. Und genau das ist das Problem: Wenn Sie immer die Antworten liefern, coachen Sie niemanden, sondern ziehen sich ein Team von Abnickenden heran. Die bessere Strategie? Stellen Sie dumme Fragen.

Nein, das ist kein Scherz. Dumme Fragen sind die klügste Waffe, die Sie haben. Warum? Weil sie Mitarbeitende zwingen, selbst zu denken. Ein Beispiel: Ein Teammitglied kommt mit einem Problem zu Ihnen. Die Standardreaktion? Sie springen in den Lösungsmodus, liefern eine Antwort und schicken die Person zurück an den Schreibtisch. Der Denkprozess ist damit abgeschlossen – zumindest für Ihr Gegenüber. Sie haben das Problem gelöst, aber Ihr Mitarbeitender hat nichts gelernt.

Versuchen Sie stattdessen Folgendes: Fragen Sie so lange nach, bis das Teammitglied selbst auf die Lösung kommt.

  1. „Was genau ist das Problem?“ – Klingt banal, aber die meisten Probleme sind nur Symptome, nicht die eigentliche Ursache.
  2. „Was haben Sie schon versucht?“ – Verhindert zum einen, dass Sie Lösungen für Dinge geben, die ohnehin nicht funktionieren. Und es bringt zum anderen die Bequemen ans Licht, die sich denken: „Lass mal den Chef machen.“
  3. „Was wäre eine völlig verrückte Lösung?“ – Bringt kreative Denkprozesse in Gang.
  4. „Was würde passieren, wenn Sie nichts täten?“ – Zeigt oft, dass ein Problem gar keines ist.

Das Geniale daran? Sie coachen, ohne zu coachen. Sie geben keine Antworten, sondern schaffen Raum für eigene Erkenntnisse.

Und plötzlich merken Ihre Mitarbeitenden, dass sie oft selbst Lösungen finden können – ohne dass sie Sie jedes Mal zum Feuerwehrmann machen müssen.

Praxis-Tipp: Der „5-mal-warum-Trick“

Wenn Sie wirklich sicherstellen wollen, dass Ihr Gegenüber selbst denkt, probieren Sie die „5-mal-warum-Technik“ aus. Diese Methode stammt aus dem Lean-Management, funktioniert aber auch hervorragend im Coaching:

  1. Ihr Teammitglied schildert ein Problem.
  2. Sie fragen: „Warum ist das ein Problem?“
  3. Die Antwort kommt. Sie fragen erneut: „Warum?“
  4. Wieder eine Antwort – und Sie fragen noch einmal „Warum?“
  5. Sie wiederholen das fünfmal (oder so oft, bis die eigentliche Ursache sichtbar wird).

Klingt simpel, ist aber extrem effektiv. Denn oft stellt sich heraus, dass das ursprüngliche „Problem“ nur ein Symptom ist – und das eigentliche Thema ganz woanders liegt.

Ergebnis: Ihre Mitarbeiterin oder Ihr Mitarbeiter entwickelt ein tieferes Verständnis und beginnt, selbst strategischer zu denken.

Und Sie sparen sich in Zukunft viel Zeit – weil Probleme erst gar nicht eskalieren.

2. Lassen Sie Ihr Team stolpern – aber richtig

Sie kennen das: Eine neue Mitarbeiterin oder Mitarbeiter kommt ins Team, Sie erklären geduldig die Abläufe, geben eine klare Richtung vor – und das wiederholt sich und nach ein paar Wochen hat sich das Muster etabliert.

Alles läuft rund, aber irgendwie fehlt der Biss. Die Fragen werden seltener, die Routine schlägt zu. Leider bleibt dann die Eigeninitiative oft auch auf der Strecke.

Der Fehler? Sie fangen alle Stürze ab.

Mitarbeitende entwickeln sich nicht durch Anweisungen, sondern durch Erfahrung. Und Erfahrung entsteht nicht durch glattgebügelte Abläufe, sondern durch Reibung.

Heißt konkret: Lassen Sie Ihr Team kontrolliert stolpern.

Wie das geht? Indem Sie bewusst Verantwortung abgeben – aber unvollständig. Statt perfekte Übergaben zu machen, geben Sie nur 80 Prozent der Informationen weiter und fordern Ihr Team auf, die letzten 20 Prozent selbst herauszufinden.

„Ich gebe Ihnen den Rahmen – Sie gestalten den Rest.“

Mitarbeitende, die sich anstrengen müssen, um Lücken zu füllen, lernen nachhaltiger als jene, die alles serviert bekommen. Fehler sind dabei nicht das Problem – im Gegenteil, sie sind das eigentliche Lernfeld.

Meine Empfehlung!

Spannen Sie Sicherheitsnetze aus. Wenn es brenzlig wird, greifen Sie nicht sofort ein, sondern beobachten erst. Gibt es eine echte Gefahr? Nein? Dann lassen Sie den Prozess laufen. Wer einmal eine kleine, ungefährliche Bruchlandung hingelegt hat, entwickelt das beste Risikobewusstsein.

Und Sie? Sie coachen nicht durch Belehrung, sondern durch kluges Nichthandeln.

3. Entziehen Sie sich – und lassen Sie Ihr Team führen

Sie sind es gewohnt, die Richtung vorzugeben. Ihre Mitarbeitenden warten darauf, dass Sie Entscheidungen treffen, Prioritäten setzen und den Weg weisen. Das ist bequem – für alle.

Doch genau hier liegt das Problem: Wer sich immer auf Sie verlässt, wird nie wirklich eigenständig.

Der beste Coaching-Trick? Machen Sie sich selbst überflüssig.

Das bedeutet nicht, dass Sie plötzlich spurlos verschwinden. Es bedeutet, dass Sie Ihre Präsenz taktisch dosieren. Wann immer Ihr Team mit einer Frage kommt, stellen Sie sich selbst die Gegenfrage: Muss ich das jetzt wirklich beantworten – oder kann das Team es selbst lösen?

Ein einfacher, aber wirkungsvoller Ansatz ist das „Dreier-Regel-Prinzip“:

  1. Bei der ersten Nachfrage zu einem Problem geben Sie eine klare Antwort.
  2. Bei der zweiten Nachfrage zu diesem Problem fordern Sie die Mitarbeitenden auf, eine eigene Lösung zu präsentieren, die Sie dann besprechen.
  3. Bei der dritten Nachfrage sagen Sie: „Ich bin sicher, Sie wissen es selbst.“

Das Ziel? Ihr Team versteht, dass nicht jede Aufgabe oder eine Frage dazu automatisch zu Ihnen zurückkommen muss. Das stärkt nicht nur die Eigenverantwortung, sondern bringt auch verborgene Führungsqualitäten ans Licht.

Meine Empfehlung!

Ein Experiment gefällig? Drehen Sie den Spieß um: Statt in Meetings den Ton anzugeben, bitten Sie regelmäßig jemanden aus dem Team, die Leitung zu übernehmen.

Motto: „Heute stelle nicht ich die Fragen – sondern Sie.“ Lassen Sie Ihr Team Probleme analysieren, Entscheidungen herbeiführen und Strategien diskutieren. Ihre Rolle? Nur beobachten.

Das Resultat: Sie erschaffen eine Kultur, in der nicht Sie das Zentrum aller Entscheidungen sind – sondern Ihr Team sich selbst führt und damit eigenständig agiert. Greifen Sie nicht ein. Das ist wahres Coaching.

FAZIT

Wirklich gutes Coaching heißt nicht, mehr zu tun, sondern strategisch weniger zu tun. Ihr Team braucht nicht noch mehr kluge Anweisungen, sondern Freiräume zum Denken, Stolpern und Wachsen. Wenn Sie sich selbst bewusst zurückziehen, entsteht Eigenverantwortung  – und genau das macht Sie als Führungskraft erfolgreicher. Also: Trauen Sie sich, sich überflüssig zu machen. Ihre Mitarbeitenden werden daran wachsen – und Sie auch.

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Guido Bonau ist Diplom Ingenieur und war langjährige Führungskraft in verschiedenen Unternehmen. Als selbstständiger Coach nutzt er sein Wissen sowie seine Erfahrungen und hilft Führungskräften, erfolgreicher zu werden. Er ist in […]

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