„Chef, ich habe Überstunden und keine Pause gemacht“: Das kann gerade bei Teilzeitkräften teuer werden
Vor allem am Ende des Arbeitsverhältnisses kommt es immer wieder vor, dass Mitarbeiter nachträglich die Vergütung vorgeschriebener und angeblich nicht genommener Pausen verlangen. Dieses Risiko ist besonders groß bei Teilzeitkräften, denen nur aufgrund von Überstunden eine Pause zusteht. Das zeigt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12.2.2025 (5 AZR 51/24).
Der Fall: Mitarbeiterin behauptet, keine Pausen gemacht zu haben
Das ist die Vorgeschichte: Eine Klinikärztin mit 30 Stunden pro Woche wurde im Dienstplan regelmäßig von Montag bis Freitag je 6 Stunden von 7:30 bis 13:30 Uhr eingeteilt. Meistens arbeitete sie jedoch länger und hätte 30 Minuten Pause machen müssen (§ 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG)).
Laut Betriebsvereinbarung galt die Zeit von 12:00 bis 12:30 Uhr als Pause. Die Mitarbeiter konnten ihre Pausen mit der elektronischen Arbeitszeiterfassung dokumentieren. Andernfalls wurden von der erfassten Arbeitszeit automatisch 30 Minuten abgezogen. Nahm ein Mitarbeiter aus dienstlichen Gründen keine Pause, musste er dies in einem Korrekturformular begründen, damit der Pausenabzug nach einer Freigabe des Vorgesetzten wieder gutgeschrieben wurde.
Warum die Mitarbeiterin klagte: Die Ärztin hatte ihre Pausen nur an wenigen Tagen elektronisch erfasst. Sie behauptete nun, an den übrigen Tagen keine Pausen gemacht zu haben. Weil sich die Überstunden meist erst gegen Ende ihres 6-Stunden-Dienstes abgezeichnet hätten, habe sie keine Pausen einplanen können, insbesondere nicht zwischen 12:00 und 12:30 Uhr. Von dem Korrekturformular habe sie nichts gewusst. Sie verlangte deshalb Überstundenvergütung für die nicht genommenen Pausen: insgesamt knapp 2.000 € für 59 Stunden innerhalb des zurückliegenden Jahres. Im Übrigen hatte der Arbeitgeber die Überstunden bezahlt, jedoch ohne Zuschlag. Erst ab Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft zahlte er 15 % Überstundenzuschlag.
Die Position des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber verweigerte die Bezahlung der angeblich nicht genommenen Pausen. Er begründete dies mit der Betriebsvereinbarung, wonach er jeweils von 12:00 bis 12:30 Uhr Pausen gewährt habe.
§ Das Urteil: Die Bezahlung der Pausen plus Überstundenzuschlag droht
In den ersten beiden Instanzen ging die Mitarbeiterin zwar leer aus. Weil der Arbeitgeber die Pausenzeiten konkret festgelegt habe, hätte die Mitarbeiterin konkret darlegen müssen, was sie in dieser Zeit getan habe und dass diese Arbeiten betrieblich notwendig und vom Arbeitgeber veranlasst oder zumindest geduldet waren. Doch das BAG kommt zu einem anderen Ergebnis:
Infolge der Arbeitszeiterfassung waren die Überstunden belegt
Ihre Mitarbeiter können zwar grundsätzlich nur dann Überstundenvergütung verlangen, wenn sie konkret darlegen, an welchen Tagen sie von wann bis wann gearbeitet oder sich auf Ihre Anordnung zur Arbeit bereitgehalten haben, sodass Überstunden angefallen sind. Hierzu genügten im Urteilsfall aber die Dokumentation der elektronischen Arbeitszeiterfassung und die Behauptung der Mitarbeiterin, keine Pausen neben den dort erfassten genommen zu haben.
Für den Arbeitgeber genügte es deshalb nicht, dass er die nicht genommenen Pausen bestritt. Er hätte vielmehr konkret vortragen müssen, an welchen Tagen zu welcher Zeit die Mitarbeiterin doch eine Pause hatte. Ein solcher Vortrag wäre auch möglich gewesen, denn als Arbeitgeber weiß er, welche Aufgaben er der Mitarbeiterin wann zugewiesen hat. Er hätte also auch beurteilen können, ob und wann hier eine Pause möglich war.
Die Pausenregelung für Vollzeitkräfte gilt nicht für Teilzeitkräfte
Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, die Pausenzeiten Ihrer Mitarbeiter im Voraus festzulegen. Im Urteilsfall gab es zwar eine Betriebsvereinbarung, wonach die Zeit von 12:00 bis 12:30 Uhr als Pause gilt. Diese Betriebsvereinbarung betraf jedoch nicht die Mitarbeiterin, die laut Dienstplan zur Arbeit von 7:30 bis 13:30 Uhr ohne Pause verpflichtet war. Folglich gab es keine wirksame Pausenanordnung für die Mitarbeiterin und sie war auch nicht verpflichtet, die nicht genommenen Pausen zu begründen.
Die Vorinstanz muss den Fall erneut prüfen
Das BAG hat den Fall zur erneuten Prüfung ans LAG zurückverwiesen. Hier wird zunächst die Mitarbeiterin anhand der typischen Abläufe im Klinikalltag erläutern müssen, warum sie keine Pausen nehmen konnte. Der Arbeitgeber kann dann darlegen, an welchen Tagen die Mitarbeiterin warum doch ihre 30 Minuten Pause hätte nehmen können. Soweit das LAG dann zu dem Ergebnis kommt, dass die Mitarbeiterin auf Veranlassung des Arbeitgebers ohne Pause durchgearbeitet hat, wird der Arbeitgeber eine Nachzahlung leisten müssen.
Das LAG wird dann außerdem entscheiden, ob für die Nachzahlung 15 % Überstundenzuschlag fällig werden. Denn nach der neueren Rechtsprechung steht Teilzeitkräften schon ab der ersten Überstunde ein Überstundenzuschlag zu und nicht erst ab Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitkräften.
Tipp 1:
Ziehen Sie keine Pausen automatisch von der erfassten Arbeitszeit ab. Verpflichten Sie Ihre Mitarbeiter vielmehr, neben dem Anfang und Ende der täglichen Arbeitszeit auch den Anfang und das Ende jeder Pause zu erfassen. So können Sie nachprüfen, ob Ihre Mitarbeiter die vorgeschriebenen Pausen nehmen und andernfalls einschreiten.
Denn nicht genommene Pausen können nicht nur zu Lohnnachzahlungen führen. Die Aufsichtsbehörde kann darüber hinaus ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz gegen Sie verhängen. Der amtliche Bußgeldkatalog sieht hier 400 € je nicht gewährter Pause je Mitarbeiter vor!
Tipp 2:
Prüfen Sie, ob Ihre Pausenregelung auch Teilzeitkräfte erfasst und passen Sie die Regelung bei Bedarf an. Im Urteilsfall hätte der Arbeitgeber für Teilzeitkräfte, die die 6-Stunden-Grenze durch Überstunden überschreiten, beispielsweise 30 Minuten Pause nach Ablauf der ersten 6 Beschäftigungsstunden eines Tages vorschreiben können.
Hildegard Gemünden ist seit mehr als 20 Jahren als Chefredakteurin, Autorin und Beraterin tätig. Sie ist spezialisiert auf Arbeits-, Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht sowie eine moderne Mitarbeiterführung