Leserfrage

„Abschluss eines Aufhebungsvertrags: Es muss fair verhandelt werden“

Leser haben uns diese Frage gestellt – wir liefern die Antwort.

Burkhard Boemke

19.05.2025 · 2 Min Lesezeit

FRAGE:

Sehr geehrter Herr Prof. Boemke,
als langjährige Leser von „Arbeitsrecht kompakt“ würden wir nun gern mal eine Frage an Sie stellen, bei welcher Sie uns hoffentlich positiv weiterhelfen können.
Wir betreiben eine Werbeagentur, in welcher wir u. a. einen IT-Fachmann beschäftigten. Bereits seit längerer Zeit waren seine direkten Vorgesetzten und auch andere Mitarbeiter unzufrieden mit seiner Arbeit. Aus diesem Grund hatten wir ihm in einem Personalgespräch einen Aufhebungsvertrag angeboten. Der Mitarbeiter nahm an; das Arbeitsverhältnis endete daher zum 30.04.2025.
Dabei ist zu erwähnen, dass der für Personal zuständige Mitarbeiter von uns für die Vertragsunterzeichnung bei dem ITler zu Hause war. Dieser hatte sich nämlich im Ski-Urlaub mehrere körperliche Verletzungen zugezogen und war zu dieser Zeit krankgeschrieben.
Heute, nachdem er es sich offensichtlich nochmal überlegt hatte, kam der Mitarbeiter zu uns ins Büro und meinte, er würde den Aufhebungsvertrag anfechten bzw. widerrufen. Wir hätten angeblich eine krankheitsbedingte Schwächephase von ihm ausgenutzt.
Kann er damit durchkommen, bzw. kann ein solcher Vertrag überhaupt rückgängig gemacht werden?

ANTWORT:

Liebe/r Leser/in,

herzlichen Dank für Ihre langjährige Treue zu „Arbeitsrecht kompakt“. Ihre Frage möchte ich Ihnen gerne folgendermaßen beantworten:

Beendigung eines Aufhebungsvertrags: Diese Punkte sollten Sie kennen

Folgende grundsätzliche Regeln gelten bei Aufhebungsverträgen:

  • Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag anfechten wollen, benötigen einen Anfechtungsgrund.
  • In der Praxis kommt eine Anfechtung meist nur wegen Drohung oder arglistiger Täuschung in Betracht.
  • Fehlende Bedenkzeit beim Abschluss des Vertrags begründet kein Anfechtungsrecht.
  • Ebenso ist es nicht ausreichend, wenn sich der Arbeitnehmer über die sozialrechtlichen Folgen des Aufhebungsvertrags oder die mutterschutzrechtlichen Folgen geirrt hat.
  • Eine nachträglich festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft begründet kein Anfechtungsrecht.
  • Ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht nicht, auch nicht bei Abschluss des Vertrags in der Wohnung des Arbeitnehmers (BAG, 07.02.2019, Az. 6 AZR 75/18).

Bei einem Aufhebungsvertrag handelt es sich um einen schriftlichen Vertrag zwischen Ihnen und Ihrem Mitarbeiter, dessen Abschluss das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet.

Will der Arbeitnehmer diesen Vertrag nachträglich aus der Welt schaffen, kann er dies jedenfalls nicht mit einem Widerruf erreichen. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sind die Regelungen zum Verbraucherschutz hier nicht anwendbar. Selbst wenn der Aufhebungsvertrag daher nicht in Ihren Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossen wird, kommt ein Widerruf aus diesem Grund nicht in Betracht.

Unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung behauptet Ihr Ex-Mitarbeiter auch nicht, dass er durch eine arglistige Täuschung oder sogar Drohung zum Aufhebungsvertrag animiert worden ist.

Es gilt das Gebot fairen Verhandelns

Einziger Punkt, der hier eine Rückgängigmachung des Aufhebungsvertrags bewirken könnte, wäre ein Verstoß gegen das sogenannte Gebot fairen Verhandelns.

Gegen das Gebot des fairen Verhandelns wird verstoßen, wenn eine Seite bei der Aufnahme der Vertragsverhandlungen eine unfaire Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt. Entscheidend ist hierbei vor allem, ob die eine Seite den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit in zu missbilligender Weise beeinflusst, also z. B. eine psychische Drucksituation schafft oder ausnutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht (BAG, 24.02.2022, Az. 6 AZR 333/21).

Für eine konkrete Prüfung, ob in Ihrem Fall eine solche Situation geschaffen wurde bzw. vorhanden war, würde ein damit befasstes Gericht sämtliche Umstände einbeziehen.

Aus meiner Sicht spricht nach Ihrer Schilderung nicht viel dafür. Allein die Tatsache, dass die Verhandlungen aus Gründen der körperlichen Verfassung des Mitarbeiters bei diesem zu Hause geführt wurden, reicht jedenfalls nicht aus.

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Professor Dr. jur. Burkhard Boemke ist seit 1998 geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig. Er hat zahlreiche Bücher sowie Fachbeiträge zum Individual- […]