Mitarbeiter bringen ihren gesamten Urlaub häufig nicht vollständig im aktuellen Urlaubsjahr unter. Das ist zunächst kein Problem. Der Urlaub aus dem Vorjahr kann als Resturlaub normalerweise ins kommende Jahr mitgenommen werden. Wenn der Mitarbeiter ihn aber nicht bis zu einer bestimmten Deadline (gesetzlich oder vertraglich) nimmt, verfällt der Urlaub ersatzlos. Das bedeutet: Der Urlaubsanspruch existiert nicht mehr, der Arbeitgeber muss aber auch keinen Ersatz dafür leisten. Das passiert allerdings nur, wenn Sie Mitarbeiter, die das betrifft, rechtzeitig auf ihre restlichen Urlaubsansprüche und deren drohenden Verfall hingewiesen haben.
Prüfen Sie die Resturlaubsansprüche regelmäßig
Wenn Sie sich mit Resturlaubsansprüchen befassen, sollten Sie zunächst nachsehen, ob für Ihr Unternehmen eine Regelung (einzelvertraglich, betriebsweit oder tarifvertraglich) existiert, nach der Resturlaubsansprüche aus dem Vorjahr übertragen werden können. Nur, wenn Sie diese kennen, kann Ihr Hinweis auch rechtssicher erfolgen. Existiert keine vertragliche Regelung, gilt nach dem Bundesurlaubsgesetz (BurlG) Folgendes:
- Grundsätzlich muss jeder Mitarbeiter seinen Urlaub für das aktuelle Jahr bis zum 31.12. genommen haben.
- Gab es dringende betriebliche oder in der Person des Mitarbeiters liegende Gründe dafür, dass ein Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht vollständig nehmen konnte (z. B. Krankheit des Mitarbeiters oder Personalengpässe im Unternehmen), darf er seinen Resturlaub mit in das Folgejahr nehmen.
- Auch für diesen übertragenen Urlaub ist nach dem Gesetz aber spätestens am 31.3. Schluss.
- Hatte der betreffende Mitarbeiter den Resturlaub bis zu diesem Stichtag nicht verbraucht, verfällt der Urlaub ersatzlos.
Prüfen Sie daher für alle Mitarbeiter: Existiert eine vom Gesetz abweichende Regelung, die besagt, dass die Mitarbeiter Ihres Unternehmens Resturlaub aus dem Vorjahr bis zum 30.6. oder sogar bis zum 30.9. nehmen dürfen, gilt diese. Erhalten Sie einen Urlaubsantrag von einem Beschäftigten, berücksichtigen Sie zunächst die noch vorhandenen Resturlaubsansprüche.
Ihr Hinweis an Mitarbeiter
Machen Sie sämtliche Mitarbeiter auf einen drohenden Verfall ihres Urlaubs rechtzeitig aufmerksam. Bei einem regulären Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses müssen Sie das ohnehin tun. Beziehen Sie aber grundsätzlich auch langzeiterkrankte Mitarbeiter mit ein, die sich gerade nicht im Unternehmen aufhalten. Diese Mitarbeiter sammeln trotz ihrer Erkrankung weiterhin Urlaub an.
So sollte Ihr Hinweis aussehen
Ihr Hinweis an die betreffenden Mitarbeiter muss schriftlich und zu einem Zeitpunkt, zu dem die Mitarbeiter ihren Urlaub noch nehmen könnten, erfolgen. Beachten Sie dabei folgende Vorgaben:
- Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Die Vorschrift zwingt einen Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren.
- Allerdings ist der Arbeitgeber gehalten, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn auffordert, dies zu tun.
Noch ausstehender Urlaub? So gehen Sie vor
Eine generelle Information an alle Mitarbeiter, dass noch nicht genommener Urlaub verfallen kann, genügt nicht. Deshalb sollten Sie einige Wochen vor Ablauf eines Jahres nachsehen, welche Mitarbeiter ihren Urlaub nicht vollständig genommen haben und wie viel Urlaub den Mitarbeitern noch zusteht. Machen Sie die betreffenden Mitarbeiter schriftlich auf ausstehende Urlaubsansprüche und den grundsätzlichen Verfall aufmerksam. Dasselbe sollten Sie einige Wochen vor dem 31.3. nochmals tun. An diesem Datum erlischt der aus dem Vorjahr übertragene Urlaub ersatzlos.
Textform genügt
Zulässig ist es, wenn Sie den betreffenden Mitarbeiter über seine Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall per Textform unterrichten. Schriftform ist nicht nötig. Unter die Textform fallen beispielsweise auch E-Mails. Sie dürfen den Hinweis allerdings nicht allgemein an die Belegschaft durch eine Rund-E-Mail richten. Darüber hinaus darf er nicht im Arbeitsvertrag vorformuliert sein. Vielmehr muss der Hinweis in jedem Kalenderjahr rechtzeitig und individuell an jeden Arbeitnehmer erfolgen.
Ihre Hinweispflichten gelten auch für den Zusatzurlaub
Die Hinweispflichten haben Sie auch für den Zusatzurlaub von schwerbehinderten Mitarbeitern. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) (Urteil vom 26.4.2022, 9 AZR 367/21, veröffentlicht am 22.7.2022) stellt Folgendes klar:
- Der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen teilt – wenn tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich nichts anderes vereinbart ist – grundsätzlich das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs. Das bedeutet: Der Zusatzurlaub verfällt wie der Mindesturlaub nur, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter rechtzeitig und richtig darauf hingewiesen hat.
- Hat Ihr Unternehmen keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers und ist diese auch nicht offenkundig, verfällt der Anspruch auf Zusatzurlaub mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums.
Eine Abgeltung kann den Verfall nicht verhindern
Eine Abgeltung des Urlaubs, das heißt eine Auszahlung in Geld, ist nur bei Beendigung einer Beschäftigung möglich. Ein Mitarbeiter kann also nicht verlangen, dass Ihr Unternehmen ihm den Urlaub auszahlt, um den Verfall zu verhindern. Beschäftigte müssen ihren Urlaub tatsächlich nehmen und Ihr Unternehmen muss es ihnen ermöglichen, ihn auch anzutreten.
Auch für die Verjährung von Urlaub ist Ihr Hinweis nötig
Grundsätzlich kann ein Urlaubsanspruch wie jeder arbeitsrechtliche Anspruch verjähren. Der europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesarbeitsgericht urteilten aber (Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 266/20):
- Eine Verjährung von Urlaubsansprüchen kommt nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber seine Hinweispflichten im Hinblick auf den Verfall des Urlaubs nicht erfüllt hat.
- Die Verjährung kann erst dann beginnen, wenn der betreffende Mitarbeiter „Kenntnis“ von seinem Urlaubsanspruch hat. Von dieser Kenntnis wiederum darf der Arbeitgeber erst dann ausgehen, wenn er den betreffenden Mitarbeiter auf seinen Urlaub und dessen mögliches Erlöschen vorschriftsmäßig hingewiesen hat.
Das gilt für die Urlaubsabgeltung
Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ebenfalls der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet. Hierbei kommt es aber nicht auf die Erfüllung der Mitwirkungspflicht an (31.1.2023, Az. 9 AZR 456/20). Der Urlaubsabgeltungsanspruch verjährt nach dieser Entscheidung auch dann, wenn Sie Ihren Hinweispflichten nicht nachgekommen sind.
Bei Arbeitszeitänderung rechnen Sie zum Teil neu
Ändert ein Beschäftigter Ihres Unternehmens seine Arbeitszeit, ermitteln Sie auch seinen Urlaubsanspruch teilweise neu. Sie kürzen oder erhöhen den zukünftigen Urlaub anhand der neuen Arbeitszeiten. Der bereits erworbene (Rest)Urlaub bleibt aber in der bisherigen Höhe erhalten.
Wenn Sie nach einer Arbeitszeitänderung auf Urlaubsansprüche hinweisen, die aus der bisherigen Arbeitszeit resultieren, und auf neue Urlaubsansprüche, die auf der neuen Arbeitszeit beruhen, ist es wichtig, dass Sie die Ansprüche richtig berechnet haben.

Und was gilt, wenn Mitarbeitende dauerhaft krank sind?
Nicht in jedem Fall müssen Sie Beschäftigte auf offene Urlaubsansprüche hinweisen. Bei langzeiterkrankten Mitarbeitenden greift eine wichtige Ausnahme von der Mitwirkungspflicht. Wann der Urlaubsanspruch trotz Krankheit verfällt – und worauf Sie bei tariflichem Mehrurlaub achten müssen – erfahren Sie hier:
