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Warum Sie die wiederholten Hinweise auf den Urlaub keinesfalls vergessen dürfen

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) müssen Arbeitgeber ihre Beschäftigten auffordern, noch nicht beantragten Urlaub zu nehmen. Zudem müssen sie darauf hinweisen, dass er sonst verfällt. Tun sie das nicht, kann der Mitarbeiter gegebenenfalls Schadensersatz verlangen. Außerdem tritt der gesetzliche Urlaubsverfall so lange nicht ein, bis Ihr Unternehmen seine Hinweispflichten erfüllt hat. Lesen Sie hier, wie Sie Ihre Pflicht so erfüllen, dass keine unvorhergesehenen Ansprüche auf Ihr Unternehmen zukommen.

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PERSONALWISSEN im Comic

Britta Schwalm

03.12.2024 · 7 Min Lesezeit

Mitarbeiter bringen ihren gesamten Urlaub häufig nicht vollständig im aktuellen Urlaubsjahr unter. Das ist zunächst kein Problem. Der Urlaub aus dem Vorjahr kann als Resturlaub normalerweise ins kommende Jahr mitgenommen werden. Wenn der Mitarbeiter ihn aber nicht bis zu einer bestimmten Deadline (gesetzlich oder vertraglich) nimmt, verfällt der Urlaub ersatzlos. Das bedeutet: Der Urlaubsanspruch existiert nicht mehr, der Arbeitgeber muss aber auch keinen Ersatz dafür leisten. Das passiert allerdings nur, wenn Sie Mitarbeiter, die das betrifft, rechtzeitig auf ihre restlichen Urlaubsansprüche und deren drohenden Verfall hingewiesen haben.

Prüfen Sie die Resturlaubsansprüche regelmäßig

Wenn Sie sich mit Resturlaubsansprüchen befassen, sollten Sie zunächst nachsehen, ob für Ihr Unternehmen eine Regelung (einzelvertraglich, betriebsweit oder tarifvertraglich) existiert, nach der Resturlaubsansprüche aus dem Vorjahr übertragen werden können. Nur, wenn Sie diese kennen, kann Ihr Hinweis auch rechtssicher erfolgen. Existiert keine vertragliche Regelung, gilt nach dem Bundesurlaubsgesetz (BurlG) Folgendes:

  1. Grundsätzlich muss jeder Mitarbeiter seinen Urlaub für das aktuelle Jahr bis zum 31.12. genommen haben.
  2. Gab es dringende betriebliche oder in der Person des Mitarbeiters liegende Gründe dafür, dass ein Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht vollständig nehmen konnte (z. B. Krankheit des Mitarbeiters oder Personalengpässe im Unternehmen), darf er seinen Resturlaub mit in das Folgejahr nehmen.
  3. Auch für diesen übertragenen Urlaub ist nach dem Gesetz aber spätestens am 31.3. Schluss.
  4. Hatte der betreffende Mitarbeiter den Resturlaub bis zu diesem Stichtag nicht verbraucht, verfällt der Urlaub ersatzlos.

Prüfen Sie daher für alle Mitarbeiter: Existiert eine vom Gesetz abweichende Regelung, die besagt, dass die Mitarbeiter Ihres Unternehmens Resturlaub aus dem Vorjahr bis zum 30.6. oder sogar bis zum 30.9. nehmen dürfen, gilt diese. Erhalten Sie einen Urlaubsantrag von einem Beschäftigten, berücksichtigen Sie zunächst die noch vorhandenen Resturlaubsansprüche.

ACHTUNG

Zum Ende eines Jahres und rechtzeitig, bevor der Urlaub endgültig verfällt (bei gesetzlicher Verfallsfrist also grundsätzlich zum 31.3. des Folgejahres), sollten Sie die betreffenden Mitarbeiter rechtssicher auf den aktuell bestehenden Resturlaub hinweisen.

Ihr Hinweis an Mitarbeiter

Machen Sie sämtliche Mitarbeiter auf einen drohenden Verfall ihres Urlaubs rechtzeitig aufmerksam. Bei einem regulären Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses müssen Sie das ohnehin tun. Beziehen Sie aber grundsätzlich auch langzeiterkrankte Mitarbeiter mit ein, die sich gerade nicht im Unternehmen aufhalten. Diese Mitarbeiter sammeln trotz ihrer Erkrankung weiterhin Urlaub an.

So sollte Ihr Hinweis aussehen

Ihr Hinweis an die betreffenden Mitarbeiter muss schriftlich und zu einem Zeitpunkt, zu dem die Mitarbeiter ihren Urlaub noch nehmen könnten, erfolgen. Beachten Sie dabei folgende Vorgaben:

  1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Die Vorschrift zwingt einen Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren.
  2. Allerdings ist der Arbeitgeber gehalten, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn auffordert, dies zu tun.

Noch ausstehender Urlaub? So gehen Sie vor

Eine generelle Information an alle Mitarbeiter, dass noch nicht genommener Urlaub verfallen kann, genügt nicht. Deshalb sollten Sie einige Wochen vor Ablauf eines Jahres nachsehen, welche Mitarbeiter ihren Urlaub nicht vollständig genommen haben und wie viel Urlaub den Mitarbeitern noch zusteht. Machen Sie die betreffenden Mitarbeiter schriftlich auf ausstehende Urlaubsansprüche und den grundsätzlichen Verfall aufmerksam. Dasselbe sollten Sie einige Wochen vor dem 31.3. nochmals tun. An diesem Datum erlischt der aus dem Vorjahr übertragene Urlaub ersatzlos.

Textform genügt

Zulässig ist es, wenn Sie den betreffenden Mitarbeiter über seine Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall per Textform unterrichten. Schriftform ist nicht nötig. Unter die Textform fallen beispielsweise auch E-Mails. Sie dürfen den Hinweis allerdings nicht allgemein an die Belegschaft durch eine Rund-E-Mail richten. Darüber hinaus darf er nicht im Arbeitsvertrag vorformuliert sein. Vielmehr muss der Hinweis in jedem Kalenderjahr rechtzeitig und individuell an jeden Arbeitnehmer erfolgen.

Muster für einen Hinweis

Sehr geehrte Frau Heim,

wir informieren Sie mit diesem Schreiben über Ihre Urlaubsansprüche für 2024.

Sie haben für das Kalenderjahr 2024 einen noch ausstehenden Urlaubsanspruch von 15 Tagen. Für Ihre Urlaubsansprüche gelten die folgenden Verfallfristen:

1. Jahresurlaub aus 2024, der bis zum 31.12.2024 nicht genommen wurde, verfällt grundsätzlich ersatzlos. Nur aus dringenden betrieblichen Gründen (zum Beispiel personelle Engpässe) oder aus bestimmten Gründen, die bei Ihnen vorliegen (zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit), kann der Urlaub ins Jahr 2025 übertragen werden.

2. Dieser aus dem Vorjahr übertragene Urlaub muss bis spätestens 31.3.2025 genommen werden. Nehmen Sie Resturlaub aus dem Vorjahr bis zu diesem Zeitpunkt nicht, verfällt der Urlaub endgültig ersatzlos. Das heißt, Sie können ihn weder nehmen noch abgelten lassen. Der Übertragungszeitpunkt kann nicht auf später verschoben werden.

Ihre Hinweispflichten gelten auch für den Zusatzurlaub

Die Hinweispflichten haben Sie auch für den Zusatzurlaub von schwerbehinderten Mitarbeitern. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) (Urteil vom 26.4.2022, 9 AZR 367/21, veröffentlicht am 22.7.2022) stellt Folgendes klar:

  1. Der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen teilt – wenn tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich nichts anderes vereinbart ist – grundsätzlich das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs. Das bedeutet: Der Zusatzurlaub verfällt wie der Mindesturlaub nur, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter rechtzeitig und richtig darauf hingewiesen hat.
  2. Hat Ihr Unternehmen keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers und ist diese auch nicht offenkundig, verfällt der Anspruch auf Zusatzurlaub mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums.

Eine Abgeltung kann den Verfall nicht verhindern

Eine Abgeltung des Urlaubs, das heißt eine Auszahlung in Geld, ist nur bei Beendigung einer Beschäftigung möglich. Ein Mitarbeiter kann also nicht verlangen, dass Ihr Unternehmen ihm den Urlaub auszahlt, um den Verfall zu verhindern. Beschäftigte müssen ihren Urlaub tatsächlich nehmen und Ihr Unternehmen muss es ihnen ermöglichen, ihn auch anzutreten.

Auch für die Verjährung von Urlaub ist Ihr Hinweis nötig

Grundsätzlich kann ein Urlaubsanspruch wie jeder arbeitsrechtliche Anspruch verjähren. Der europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesarbeitsgericht urteilten aber (Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 266/20):

  1. Eine Verjährung von Urlaubsansprüchen kommt nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber seine Hinweispflichten im Hinblick auf den Verfall des Urlaubs nicht erfüllt hat.
  2. Die Verjährung kann erst dann beginnen, wenn der betreffende Mitarbeiter „Kenntnis“ von seinem Urlaubsanspruch hat. Von dieser Kenntnis wiederum darf der Arbeitgeber erst dann ausgehen, wenn er den betreffenden Mitarbeiter auf seinen Urlaub und dessen mögliches Erlöschen vorschriftsmäßig hingewiesen hat.

Das gilt für die Urlaubsabgeltung

Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ebenfalls der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet. Hierbei kommt es aber nicht auf die Erfüllung der Mitwirkungspflicht an (31.1.2023, Az. 9 AZR 456/20). Der Urlaubsabgeltungsanspruch verjährt nach dieser Entscheidung auch dann, wenn Sie Ihren Hinweispflichten nicht nachgekommen sind.

Bei Arbeitszeitänderung rechnen Sie zum Teil neu

Ändert ein Beschäftigter Ihres Unternehmens seine Arbeitszeit, ermitteln Sie auch seinen Urlaubsanspruch teilweise neu. Sie kürzen oder erhöhen den zukünftigen Urlaub anhand der neuen Arbeitszeiten. Der bereits erworbene (Rest)Urlaub bleibt aber in der bisherigen Höhe erhalten.

Beispiel:

Ein Mitarbeiter hat im Jahr 2024 an 5 Tagen pro Woche gearbeitet. Damit hatte er einen vertraglichen Urlaubsanspruch von insgesamt 24 Tagen. Ab dem 1.3.2025 arbeitet er aber nur noch an 3 Tagen pro Woche und hat damit auch nur noch einen jährlichen Urlaubsanspruch von 14,4 Tagen. Somit reduzieren Sie für 2025 die Urlaubsansprüche wie folgt:

Der Urlaub für Januar und Februar 2025 errechnet sich noch entsprechend der bisherigen Arbeitszeit: 24 / 12 x 2 (Monate) = 4 Tage

Der neue Jahresurlaub für 2025 beträgt: 24 Tage / 5 Tage x 3 Tage = 14,4 Tage

Davon berechnen Sie den Urlaub für die Zeit von März bis Dezember (10 Monate): 14,4 / 12 x 10 = 12 Tage

Ergebnis: Der Beschäftigte hat also für 2025 16 Tage Urlaub (der bereits erworbene Anspruch für Januar und Februar, der erhalten bleibt, plus der neue Jahresurlaub ab März von 12 Tagen).

Wenn Sie nach einer Arbeitszeitänderung auf Urlaubsansprüche hinweisen, die aus der bisherigen Arbeitszeit resultieren, und auf neue Urlaubsansprüche, die auf der neuen Arbeitszeit beruhen, ist es wichtig, dass Sie die Ansprüche richtig berechnet haben.

Und was gilt, wenn Mitarbeitende dauerhaft krank sind?
Nicht in jedem Fall müssen Sie Beschäftigte auf offene Urlaubsansprüche hinweisen. Bei langzeiterkrankten Mitarbeitenden greift eine wichtige Ausnahme von der Mitwirkungspflicht. Wann der Urlaubsanspruch trotz Krankheit verfällt – und worauf Sie bei tariflichem Mehrurlaub achten müssen – erfahren Sie hier:

Arbeitshilfen

  • Hinweis Urlaubsanspruch

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Britta Schwalm ist Rechtsanwältin und Expertin für Sozialversicherung, Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie Arbeits- und Steuerrecht. Sie arbeitet außerdem seit mehreren Jahren als freie Journalistin und Autorin und berät kleine und mittelständische […]